$ 25. Unmittelbarer Zwang. 31]
3. Das Verhältnis zwischen den Einzelnen kennt Fälle, wo
erlaubterweise Gewalt geübt wird von dem Menschen an dem
Menschen um einer Gefahr willen, in welcher der Vergewaltigte
selbst schwebt. Der Geisteskranke, den der Begegnende aufgreift,
um ihn zur Anstalt zu bringen, der Trunkene, welchen der Freund
gewaltsam nach Hause schleppt, darf sich über solche wohlwollende
Gewalttat nicht beklagen. Der Hauptfall ist der der Rettung
aus Lebensgefahr, die nach Umständen geradezu unter Mißhand-
lungen stattfindet, wie z. B. der im Wasser Versinkende an den
Haaren gepackt oder sogar, um für den Retter ungefährlich zu
werden, durch einen Faustschlag betäubt wird. Das Mißverhältnis
zwischen der kleinen Gewalttat und dem großen Dienst deckt
den Täter.
Dieser Notstandsgedanke wird noch deutlicher in der retten-
den Gewaltanwendung, die auf polizeilichem Gebiete vor-
kommen kann. Ein Mensch wird nachts auf der Straße von der
Übermacht seiner Gegner verfolgt und bedroht; die Polizei-
mannschaft ist seinen Angreifern gegenüber zu schwach oder
wenigstens einem harten Kampfe ausgesetzt. Wenn sie ihn ver-
haftet und gewaltsam wegschafft, sind die anderen zufrieden und
ist er gerettet. Vielleicht bittet er selbst darum; aber auch gegen
seinen Willen kann ihm solcher Schutz bereitet werden. Das ist
Polizei, insofern mit obrigkeitlicher Gewalt die Störung der
guten Ordnung beseitigt wird; die Gewalt muß unmittelbar auf-
treten wegen der Dringlichkeit der Gefahr; die Eigenart der
Gefahr bringt es aber mit sich, daß sie sich zweckmäßigerweise
nicht gegen deren Ausgangspunkt wendet, sondern den mehr oder
weniger unschuldigen Gegenstand erfaßt; auch das ist zulässig
wegen der Geringfügigkeit des Nachteils, den der kurze Polizei-
gewahrsam bedeutet gegenüber dem geretteten Leben?®. Von
Entschädigung ist eben deshalb hier keine Rede.
die Frage einer öffentlich-rechtlichen Entschädigung, von der unter $ 53 noch
zu handeln sein wird.
»0 Preuß. Ges. v. 12. Febr. 1850, 86. G. Meyer-Dochow, Verw.R.
$ 146: „Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung muß der Polizei
als Ausfluß ihrer allgemeinen Zwangsgewalt die Befugnis zugestanden werden,
Verhaftungen vorzunehmen, wenn diese zum eigenen Schutze der verhafteten
Person notwendig erscheinen“. So einfach hingesetzt, hat dieses „Muß“ immer-
hin den Wert eines Zeugnisses für die allgemeine Anschauung.