322 Die Polizeigewalt.
III. Das stehende Heer, der miles perpetuus, hat unserer
werdenden Staatsgewalt den Boden in der harten Wirklichkeit ge-
schaffen; auch die innere Souveränität ist sein Werk. Nachdem
jetzt die Verwaltung, besonders die Polizei, sich längst gerüstet
hat mit eignen Zwangsmitteln, steht noch immer das Heer und
sein unerschöpflicher Kraftvorrat daneben, um der Aufrechterhaltung
der guten Ordnung des Gemeinwesens durch die nötige Gewalt-
anwendung zu dienen. Nicht bloß im äußersten Notfall erscheint
es als letztes Zwangsmittel; weniger auffallend, aber viel bedeut-
samer ist die Mitwirkung, die es im täglichen Garnisonwach-
dienste leistet.
Was wir bisher über die polizeiliche Gewaltübung und ihre
Rechtsgrundlagen ausgeführt haben, findet auf diese Tätigkeit
nicht von selbst schon Anwendung. Denn der Soldat ist kein
polizeilicher Vollstreckungsbeamter; die wesentliche Bestimmung
des Heeres ist eine andere als die, polizeiliche Zwecke zu
verfolgen.
Wir fragen also: wie rechtfertigt sich die Gewaltanwendung
des Militärs gegenüber dem Untertanen oder, wie man es auch
ausdrückt, in Friedenszeiten? Davon, daß die Gewalt schon um
deswillen rechtlich zulässig wäre, weil sie tatsächlich nur allzuleicht
möglich ist, kann ja für uns keine Rede sein.
Wir haben ausdrückliche Gesetze, welche sich auf diesen
Gegenstand beziehen. Sie bilden teils besondere Rechtsinstitute
für außerordentliche Fälle aus, wie den Belagerungszustand,
die Bekämpfung des Aufruhrs. Andernteils regeln sie ganz
allgemein den Waffengebrauch des Militärs in Friedenszeiten.
Die letzteren Bestimmungen gehen uns hier vor allem an®,
öff. R. XI, S. 124, entnehmen möchte; dagegen mit Recht Rissom, Note. u.
Waffengebr. S. 64. — Umgekehrt kann ein dienstliches Verbot den Weaffen-
gebrauch amtspflichtwidrig machen, weil es eben auch nach außen wirkt
(oben S. 192... Nur die Notwehr bleibt immer frei, auch mit der Waffe; die
ist Menschenrecht: Wilfling, Adm. Waffengebr. S. 17.
25 Maßgebend geworden ist das Preuß. Ges. über d. Waffengebr. d. Milit.
v. 20. März 1837. Es bestimmt in $1: „Das in unserem Dienste zur Aufrecht-
erhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretende Militär
ist berechtigt, auf Wachen und Posten, bei Patrouillen, Transporten und allen
anderen Kommandos, auch wenn solche auf Requisition oder zum Beistande
einer Zivilbehörde gegeben werden, in den nachstehend 88 2—6 bezeichneten
Fällen von seinen Waffen Gebrauch zu machen.“ Was für die Gendarmerie
gilt (oben Note 28), ist hier etwas verschärft. G. Meyer, in Verw.R.Wörterb. Il,
S. 848 ff.; van Calker, R. d. Milit. z. adm. Waffengebr.; Rissom, Notv. u.
Waffengehr. S. 53 ff.; Wilfling, Adm. Waffengebr. S. 162 fi.