332 Die Finanzgewalt.
Der ordentliche Fall wäre, daß das Gesetz selbst den er-
forderlichen Rechtssatz aufstell. Ein solches Steuergesetz
hat dann einen dreifachen Inhalt: es bestimmt die äußerlichen
Merkmale, an welche die Steuer sich knüpft, den Gegenstand
der Besteuerung; sodann die Höhe des Betrages, mit welchen
die Steuerpflicht den Einzelfall treffen soll, der sich berechnet aus
Steuerfuß und Steuersatz, und endlich das Verfahren, in
welchem die Steuerpflicht zur Durchführung kommt, die Er-
hebungsform.
1. Nach allgemeinen Grundsätzen müßte das Gesetz in der
Lage sein, den ganzen Steuerrechtssatz der Verordnung zu
übertragen (vgl. oben $ 6 n. 3); das ergäbe dann auch, was hier
verlangt ist: gesetzliche Grundlage und rechtssatzmäßige Regelung.
Allein tatsächlich findet eine solche Machtübertragung nur statt
bezüglich des dritten Stückes, der Erhebungsform; die beiden
anderen, Steuergegenstand und Steuerbetrag, behält das Gesetz
eifersüchtig in seiner Hand®. Es kommen darin verfassungs-
rechtliche Ideen zum Ausdruck: das Steuerbewilligungsrecht der
Volksvertretung hängt an diesen zwei Punkten; sie dem Gesetze
vorbehalten, heißt sie ihr vorbehalten.
Gegenüber der Autonomie der Selbstverwaltungskörper be-
steht bezeichnenderweise diese Sprödigkeit des Gesetzes nicht:
für Gemeindesteuern gibt es die Machtübertragung voll, auch zur
Bestimmung des Gegenstandes der Steuer und des Betrags: dem
politischen Gedanken, der die Verordnung ausschließt, ist hier
wieder Genüge geleistet durch die Mitwirkung der Gemeinde-
volksvertretung.
2. Dem nämlichen verfassungsrechtlichen Ideenkreis entspricht
eine andere Besonderheit, die der Steuerrechtssatz erhalten kann.
Rechtssätze sind ordentlicherweise auf die Dauer berechnet; lege
in perpetuum valitura! So sind auch in Preußen und im Reich
alle Steuergesetze dauernd: mit jedem jungen Jahre erscheint ihre
Wirkung wieder, ganz von selbst, und erzeugt bei den Bürgern
® In der Regel wenigstens. Das allmächtige Gesetz kann auch anders.
Bezeichnend ist aber, daß alsdann die Verordnung als außerordentliche Maß-
regel auftritt und geradezu die Natur einer Notverordnung erhält. So Reichsges.
v. 15. Juli 1879 betr. d. Zolltarif $ 6: Anordnung von Zollzuschlägen als
Retorsionsmaßregel durch Kaiserliche Verordnung, die alsbald dem Reichstag
vorzulegen ist und von selbst dahinfällt, wenn dieser seine Zustimmung nicht
erteilt. Ebenso Tabaksteuerges. v. 16. Juli 1879 $ 27. Vgl. auch die landes-
rechtlichen Verordnungen zur „provisorischen Steuerausschreibung“, hier unten
Note 4,