Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

334 Die Finanzgewalt. 
hängt sich an feste Besitzstände, Besitz eines Grundstückes, 
eines Gewerbebetriebes, eines Einkommens; die indirekte dagegen 
ergreift wirtschaftliche Werte in der Bewegung, bei der Hervor- 
bringung oder ÖOrtsveränderung, im Verbrauch®. Es ist ein- 
leuchtend, daß die erstere zugleich sich mehr dafür eignet, im 
Einzelfalle durch bedächtige obrigkeitliche Prüfung und Fest- 
stellung verwirklicht zu werden, als die andere. Daher jene tat- 
sächliche Übereinstimmung. Wenn wir deshalb gern unsere Ver- 
anlagungssteuer geradezu als direkte, unsere unmittelbar 
erhobene als indirekte bezeichnen, so dürfen wir freilich nicht 
übersehen, daß der Ausdruck für uns schief ist; er sagt ja 
eigentlich gerade das Gegenteil von dem, was er hier sagen sollte. 
Auch gibt es Fälle, wo das, was finanzwissenschaftlich direkte 
Steuer heißt, rechtlich doch nicht als Veranlagungssteuer gestaltet 
worden ist; dann ziehen wir selbstverständlich die Grenze auf 
unsere Art®. 
5 Über die Frage, wie der Gegensatz zu formulieren sei, vgl. vor allem 
die feinsinnigen Untersuchungen bei Neumann, die Steuer und das öffentl. 
Interesse, S.449 ff. Wegen der genaueren Abgrenzung herrscht in der Finanz- 
wissenschaft große Meinungsverschiedenheit, und der Jurist, der da drüben 
Anknüpfung sucht, findet sich einer nur allzureichlichen Auswahl gegenüber; 
vgl. G. Meyer-Dochow, V.R. S. 646 Note 4; v. Bitter, Hand.W.B. d. Pr. 
Verw., Art. direkte Steuern I, S. 494. 
6 Fleiner, Instit. S. 392, versteht unter „direkte“ und „indirekte“ Steuer 
einen rein finanzwissenschaftlichen Gegensatz, von dem nun die juristische 
Einteilung sich erst loszulösen hätte; das tut sie aber bei ihm nicht. Ebenso 
wenig bei Blüher, in Sächs. Arch. f. R.Pfl. n. 10, der ihm widerspricht. Die 
französischen Juristen sind umgekehrt geneigt, die beiden Ausdrücke 
ausschließlich für den juristischen Gegensatz: Veranlagung oder nicht, in 
Anspruch zu nehmen. So J&ze, cours El. de science de finance S. 702: 
„Il y a impöt direct toutes les fois que la dette individuelle d’impöt est re- 
couvr&e en vertu d’un röle nominatif, impöt indirect toutes les fois que la dette 
individuelle d’impöt n’est pas percue en vertu d’un röle nominatif.“ Für das 
Österreichische Recht bezeugt Herzog, Rechtsmittelverfahren u. Rechts- 
kraft S.2 Note 2, den gleichen Sprachgebrauch, indem er zugleich den für die 
direkte Steuer wesentlichen Veranlagungsakt im Sinne der hier festgehaltenen 
Lehre sehr klar heraushebt. — Wenn bei uns das Gesetz sich dieser Aus- 
drücke bedient, so ist es jedesmal Auslegungssache, wie es sie gemeint hat; 
meist wird hier der wirtschaftliche, finanzwissenschaftliche Sinn überwiegen. 
Ein Beispiel gibt das R.Ges. wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 
13. Mai 1870 (jetzt 22. März 1909): Es richtet sich nach $ 1 nur gegen doppelt 
zu erhebende direkte Steuern; dafür kann ihm nicht die von den Staaten 
beliebte Erhebungsform maßgebend sein, Veranlagung oder nicht; nichts wäre 
sonst leichter, als es zu umgehen. R.G. 8. März 1897 (Entsch. XXXIX, S. 11) 
gibt deshalb hier mit Recht dem Wort einen sachlichen, finanzwissenschaft-
	        
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