$ 2. Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft. 9]
der es angehört und in deren Zusammenhang es den Geist auf-
geprägt erhält, in dem es verstanden sein will, und die scharfe
Bestimmung seiner Grenzen gegenüber den Nachbarerscheinungen.
Was an Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Prozeßrecht an jenen
Konglomeraten beteiligt ist, ist jedes mit einer solchen wissen-
schaftlichen Heimat schon ausgestattet gewesen, als man solche
Konglomerate vorzutragen begann. Nur das Verwaltungsrecht war
früher in solcher Weise nirgends daheim. Es lag nahe, für dieses
die gleiche selbständige Behandlung zu fordern. Wertvolle Einzel-
untersuchungen sind uns in großer Zahl geliefert worden. Aber
auch durch systematische Entwicklung und Zusammenordnung
ihres ganzen Gehaltes an eigenartigen Rechtsideen mußte die Ver-
waltungsrechtswissenschaft darnach trachten, sich ebenbürtig den
älteren Schwesterdisziplinen an die Seite zu stellen %,
IV. Unser Verwaltungsrecht ist naturgemäß zur Ausbildung
gekommen bei den Einzelstaaten, bei welchen auch immer noch
der Schwerpunkt der Verwaltung liegt. Nach und nach hat das
Reich sich lebhafter beteiligt; das von ihm bestimmte Verwaltungs-
recht schließt sich gern dem preußischen an, hat aber doch auch
wieder sein Besonderes. Besonderheiten haben sie alle. Aber
immerhin: es gibt ein Gemeinsames, das überwiegt. Unser Ver-
waltungsrecht ist ein Erzeugnis unserer gemeinsamen Kultur,
wenigstens in seiner für die wissenschaftliche Behandlung, die hier
stattfinden soll, maßgebenden Grundidee. Es gibt keine bayrische,
sächsische, nicht einmal eine für sich bestehende preußische Ver-
waltungsrechtswissenschaft — Gott Lob!
14 In diesem Sinne hat sich bei den österreichischen Juristen — bei welchen
das öffentliche Recht überhaupt mehr noch als bei uns mit einer gewissen
Großzügigkeit gepflegt wird — schon öfter der Ruf erhoben nach einem „All-
gemeinen Teil des Verwaltungsrechts“: Ulbrich, Off. Rechte S. 71; Ber-
natzik, Rechtskraft, Vorrede S. IV; selbst Inama-Sternegg, Staatsw. Ab-
handl. S. 68 ff., will einen solchen, unabhängig von L. Stein, zulassen. Aber
die Aufgabe konnte nicht sein, nur einen Allgemeinen Teil zu liefern, wie er
in den Pandektenvorlesungen vorausgeschickt wurde. Damit wäre wenig ge-
dient. Auf die Pandekten selbst kommt es an!
Der erste, der das deutsche Verwaltungsrecht auf solche Weise zur Dar-
stellung gebracht, war der Württembergische Oberamtmann F. F. Mayer mit
seinem Buche: Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862. Unter den späteren
Arbeiten sind zu nennen: Sarwey, Allg. V.R. 1884, wo (S. 119 ff.) unter dem
Namen „Verwaltungsrecht im engeren Sinne“, unabhängig von der Verwaltungs-
lehre, die reinen Rechtsinstitute des Verwaltungsrechtes erscheinen, und neuer-
dings vor allem die ausgezeichnete Zusammenfassung des gegenwärtigen Standes
unserer Wissenschaft von F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungs-
rechts, 3. Aufl. 1913,