8 29. Die abgeschwächte Steuerpflicht. 353
die Behörde, daß sie unter Berücksichtigung persönlicher Ver-
hältnisse dem Steuerschuldner Stundung gewähre‘®.
Seitenstücke zur privatrechtlichen Bedingtheit finden sich
nicht in gleicher Weise. Daß die gesetzlichen Voraussetzungen
der Entstehung der Steuerpflicht gegeben sein müssen, ist nicht
als Bedingung aufzufassen, und eine echte Bedingung hinzuzufügen,
pflegt den Behörden nicht überlassen zu sein®.
Für gewisse Arten von Steuern haben sich aber solche Ab-
schwächungen der Pflicht in überaus umfassender und zugleich
hervorragend eigentümlicher Weise entfaltet. Das sind die namentlich
für das Reichsrecht so wichtigen Steuern auf den Warenverkehr
und den Verbrauch. Hier handelt es sich nicht so sehr um
eine Berücksichtigung der Lage des Steuerpflichtigen. Vom Stand-
punkte des Gemeinwohles aus war zu erwägen, daß eine straffe
Durchführung dieser Steuerpflichten die Gütererzeugung und den
Güterverkehr übermäßig stören und belasten würde. Deshalb
werden Erleichterungen gewährt, nicht von Fall zu Fall,
sondern in allgemeiner Weise und mit mehr oder weniger ge-
sicherter Zugänglichkeit. Zu diesem Zwecke sind gewisse Ein-
richtungen geschaffen, die zugleich dazu dienen, die Steuer
selbst trotz der gewährten Erleichterung sicherzustellen. Die
Einrichtungen bestehen darin, daß mit den Waren, an welche die
Steuer sich knüpft, ein durch Verwaltungsvorschriften: geregeltes
Verfahren zu beobachten ist, von Seiten der Beamten, wie von
Seiten der Beteiligten; an die Einhaltung dieses Verfahrens knüpft
sich dann kraft des Gesetzes die von diesem vorgesehene Ab-
schwächung der Steuerpflicht *.
des Preuß. Fin.Min. v. 14. Nov. 1894 unterscheidet neben den vierteljährlichen
Zahlungsterminen noch monatliche Entstehungstermine: Fuisting, Komm.
zu $ 62 Anm. 2; die Entstehung hat sich aber doch wohl an die Veranlagung
zu knüpfen); Sächs. Einkommenst.Ges. v. 24. Juli 1900 $ 9, Ausf.Verord. v.
25. Juli 1900 $ 11.
® Branntweinst.Ges. v. 15. Juli 1909 $ 7; Braust.Ges. v. 3. Juni 1906 8 8
Abs. 2; Zuckerst.Ges. v. 27. Mai 1896 $ 3 Abs. 3; Tabakst.Ges. v. 15. Juli 1909
$ 30; Zigarettenst.Ges. v. 3. Juni 1906 $ 3. Preuß. Kab.Order v. 31. Dez. 1825
gibt den Bezirksregierungen eine umfassende Stundungsermächtigung bis zum
Jahresrechnungsabschluß.
8 Wenn der Rechtserwerb, auf welchen die Steuer gelegt sein soll, seiner-
seits bedingt erfolgt, so wirkt das auf die Steuer zurück, auch wenn diese
unbedingt gemeint ist: Erbschaftsst.Ges. v. 3. Juni 1906 $ 21 Abs. I.
* „Die näheren Bestimmungen über das zu beobachtende Verfahren ent-
halten die zu erlassenden Regulative“ (Ver.Zollges. $ 73, $ 90) oder „die all-
gemeinen Bedingungen und Kontrollen, unter denen die in den $ 111 bis 117
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 2. Aufl. 27