878 Die Finanzgewalt.
Strafe gestellte, den Finanzen nachteilige Verhalten ist Finanz-
delikt, sei es dann Hinterziehung oder Ordnungswidrigkeit.
Die Hinterziehung ist die schwerere Straftat. Daß ein Schade
wirklich angerichtet worden sei, ist aber auch für sie nicht wesent-
lich. Die beiden unterscheiden sich nur dadurch, daß die Hinter-
ziehung auf diesen Erfolg unmittelbar gerichtet ist, während er
bei der Ordnungswidrigkeit höchstens als entferntere Möglichkeit
denkbar wäre. Genauer gesagt:
— Die Hinterziehung ist ein mit Finanzstrafe bedrohtes
Verhalten, das im Falle des Gelingens der Finanzverwaltung einen
Vermögensentgang bereitet ®.
— Die Ordnungswidrigkeit ist ein mit Finanzstrafe be-
drohtes Verhalten, das der Finanzverwaltung lediglich ungünstigere
Bedingungen schafft für die Überwachung des ihr Zukommenden ’”.
Aus diesem Verhältnis ergibt sich im Finanzstrafrecht die Er-
scheinung, daß ein und derselbe äußere Tatbestand, der sich zu-
nächst als Hinterziehung darstellte, weil anzunehmen war, daß jene
geradlinige Richtung auf den schädlichen Erfolg, auf die Ver-
kürzung der Finanzen, vorlag, zur bloßen Ordnungswidrigkeit
herabsinken kann, sobald nachgewiesen wird, daß die Tat diese
Richtung nicht hatte®.
2. Die Hinterziehung bedarf der genaueren Abgrenzung noch
nach einer anderen Seite hin, gegenüber dem gemeinen Strafrecht
nämlich, insbesondere gegenüber dem durch Stf.G.B. $ 263 ge-
regelten Vergehen des Betruges. Mit diesem zeigt ihr Tat-
bestand eine ausgeprägte Verwandtschaft, zum mindesten ein Be-
trugsversuch liegt nahe, wenn hier ein rechtswidriger Vermögens-
vorteil zım Schaden der Staatskasse angestrebt wird in einer
Weise, die der Name Hinterziehung, Defraudation, Defraude kenn-
6 O.L.G. München 30. Dez. 1884 (Reger \V, S. 440): Der Angriff auf das
Gefälle ist hier mit der Strafe bedroht; es braucht keine Vermögensbeeinträch-
tigung wirklich gelungen zu sein. Ver.Zollges. $ 135: „Wer es unternimmt, die Ab-
gaben zu hinterzieben, macht sich der Defraudation schuldig“. Defraudation ist
allerdings nur das Fremdwort für Hinterziehung ; daher besser Branntweinst.Ges.
v. 15. Juli 1909 $ 111: „Wer es unternimmt, dem Reiche die Verbrauchsabgabe
vorzuenthalten, macht sich der Hinterziehung schuldig“. Auch dieses „Vor-
enthalten“ bekommt seine Kennzeichnung als die mißbilligte Straftat erst durch
die genaueren Rechtsvorschriften des Gesetzes. — Gedankenlos Zollbegleit-
schein-Ordn. $ 37 Abs. 2 (Troje-Düffe, Ordn. I, S. 31), wo von „versuchter
Zolldefraudation“ gesprochen wird.
? Daher auch „Kontrollvergehen“: Meisel, in Finanz-Arch. V, S. 35 ff.
8 Ver.Zollges. $ 137 Abs. 2; vgl. unten Ill n. 2.