34 Geschichtliche Entwicklungsstufen.
3. Gegenüber diesen Beschränkungen der Hoheitsrechte ent-
steht nun wieder auf der anderen Seite ein neues Hoheitsrecht,
welches berufen ist, auch sie zu durchbrechen, und demgemäß den
Abschluß des ganzen Systems bildet.
Die wohlerworbenen Rechte der Einzelnen bilden nämlich eine
Grenze für die Hoheitsrechte nur im gewöhnlichen Laufe der
Dinge!®. In Ausnahmsfällen ist die öffentliche Verwaltung auch
daran nicht gebunden. Voraussetzung ist die Kollision: es muß
die Beseitigung eines wohlerworbenen Rechtes dringend notwendig
sein für die Erreichung des Staatszweckes. Dann kann das Eigen-
tum entzogen, das Privilegium aufgehoben, der Vertrag gebrochen
werden. Diese außerordentliche Gewalt ist selbst wieder als ein
eigenes Hobeitsrecht gestaltet, welches hinter allen anderen er-
gänzend steht, genannt jus eminens, potestas, imperium oder
dominium eminens, äußerstes Recht der Staatsgewalt, Machtvoll-
kommenbeit '?,
1II. Die Reichsgerichte sind über die Inhaber der Landes-
hoheit gesetzt in doppelter Weise:
1. Zur Nachprüfung der von ihnen und in ihrem Namen ge-
handhabten Gerichtsbarkeit auf Anrufen der Beteiligten durch das
ordentliche Rechtsmittel der Appellation.
Der gemeine Prozeß, wie er beim Reichskammergericht zur
Anwendung kam, zerfiel in zwei Teile. Der eigentliche Prozeß,
Judizialprozeß, beginnt erst mit der Verhandlung der Parteien vor
St.R. $ 12. Im neuzeitlichen Verfassungsstaat muß das aber natürlich alles
ganz anders gedacht werden.
18 „Ordinarie“, wie Pütter sagt (Inst. $ 119). Der Gegensatz ist das „si
urget publica necessitas“ des Bodinus und Hugo Grotius.
ı# Häberlin, St.R. II $ 266; Pütter, Beitr. I S. 358. -Klüber, Öff.
R. $ 552, nennt es etwas wehleidig „dieses traurige sogenannte Recht“. —
Pütter a. a. O. S. 356 will sogar die Steuerauflage als einen Eingriff in jura
quaesita vermöge des jus eminens behandeln. Das führt wohl auf Bodinus
zurück, der das den französischen Ständen gegenüber so rechtfertigen möchte
(de re publ. lib. I cap. X). Aber seit Hugo Grotius, Jus B. ac P. III
cap. XX 8 7, gilt der wichtige Grundsatz, daß der von der Ausübung des jus
eminens Getrofene zu entschädigen ist; das betont auch Pütter a. a. 0.
S. 357. Zu der Steuerautlage stimmt das natürlich nicht mehr. Vgl. die Lehre
von der öffentlichrechtlichen Entschädigung unten II $ 58.
In dem hier Note 9 erwähnten Bruchsaler Fall hat das R.K.G. die Ent-
eignung zunächst ganz aus dem gewöhnlichen jus politiae begründet, dann aber
allerdings doch noch das jus eminens ausdrücklich angerufen. Das ist gerade
für die Frage der Entschädigung von Bedeutung, auf die dadurch hinüber-
geleitet wird.