$ 3. Die landesherrlichen Hoheitsrechte. 35
Gericht. Alles, was vorher und daneben geschieht in einseitigen
Parteivorträgen und Beschlüssen des Richters, ist Extrajudizial-
prozeß. Gegen die Urteile im ersteren Verfahren geht die eigent-
liche Appellation; gegen Beschlüsse der letzteren Art gibt es ein
entsprechendes Rechtsmittel, die Extrajudizialappellation, gericht-
liche Beschwerde nach heutigem Ausdrucke ?°,
Die Appellation beider Art unterlag Einschränkungen durch
die in bunter Mannigfaltigkeit den einzelnen Reichsständen nach
und nach verliehenen privilegia de non appellando.
Sie beschränkt sich aber nicht auf die landesherrliche Zivil-
und Strafrechtspfiege im heutigen Sinne. Wenn die Obrigkeit
einen Ausspruch tut, der die bestehende Ordnung auf den Einzel-
fall anwendet oder über Bestand und Wirksamkeit eines subjektiven
Rechtes erkennt, so handelt sie als Richter, tamquam judex, ohne
Unterschied, welche Art von Hoheitsrecht dabei ausgeübt wird, die
alte potestas judiciaria oder das neue jus politiae. Geschah der
Ausspruch zwischen streitenden Parteien, so war die Appellation
gegeben, geschah er auf einseitigen Antrag oder von Amts wegen,
die Extrajudizialappellation. Das letztere war natürlich auf dem
Gebiet, das wir heute Verwaltung nennen, das Regelmäßige ?!.
2. Außerdem haben die Landesherren bei den Reichsgerichten
ihren ordentlichen Gerichtsstand, um vor ihnen verklagt
werden zu können wegen dessen, was sie dem Kaiser, ihren Mit-
ständen oder anderen Personen, insbesondere auch ihren eigenen
Untertanen schuldig sind.
Die einfache Klage im ordentlichen Verfahren, simplex
querela, führt allerdings bei dem schleppenden Geschäftsgang der
Reichsgerichte allzu schwer zu einem Ergebnis. Wenn irgend
möglich, wird eine Sache auch gegen den eigenen Landesherrn im
summarischen Verfahren eingeleitet. Der Mandatsprozeß ist
die Regel. Man beginnt damit, ein mandatum prohibitorium,
ivhibitorium oder restitutorium zu beantragen ob factum nullo
jure justificabile oder ob damnum irreparabile.
Auch diese Klagen gegen den Landesherrn haben ihre Be-
schränkung: vielfach sind hier Austräge vorgesehen, ständige
Schiedsgerichte, an welche die Sache zunächst gebracht werden
2° Cramer, Wetzl. Nebenst. VII S. 86; Häberlin, StR. II S. 341;
Bayer, Gem. Z.Pr. II $ 309B.
3! Cramer, Systema processus imperii $1046; derselbe, Wetzl. Nebenst.
18.119, III S. 1, VII S. 84, S. 94, XXXV S. 143; Schnaubert, Anfangs-
gründe des St.R. S. 130; Häberlin, St.R. S. 457 Note 4.
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