Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

38 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
Appellation und der Klage zum Reichsgericht zu versperren ?®. 
Vor allem aber stand es mißlich mit der Zwangsvollstreckung 
gegen mächtigere Herren. Tatsächlich ist der Rechtsweg nur 
gegen die Kleinen bis zu Ende gangbar?’. Trotz alledem war 
doch immer wieder das Prinzip gewahrt, wenn ein feierlicher 
Ausspruch erfolgen konnte, daß Unrecht geschehen sei, und wenn 
hier und da wenigstens es gelang, ein Exempel zu statuieren. 
Noch in der letzten Zeit des ärgsten Verfalls, um die Wende des 
18. Jahrhunderts, dachten unsere Juristen gar nicht gering von 
dem Werte des ganzen Instituts und wußten seine Bedeutung für 
Aufrechterhaltung des allgemeinen Rechtsbewußtseins und des 
bürgerlichen Unabhängigkeitsgefühls wohl zu schätzen *®, 
Die Rechtsordnung, die auf diese Weise gewahrt und aufrecht- 
erhalten wird, weicht gegen das Ende mehr und mehr in die 
kleinen Territorien zurück. Sie entlehnt ihre ganze Lebenskraft 
nur aus dem Fortbestande der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte. 
In dem Maße, wie diese erlischt, zieht für das Verwaltungsrecht, 
für die ganze Art, wie das Verhältnis zwischen dem verwaltenden 
Staate und dem Untertan grundsätzlich gedacht ist, eine neue 
Zeit herauf. 
26 Moser, Teutsch. Just. Verfassung I S. 566 ff., zählt ein langes Sünden- 
register auf. — Als der König von Preußen einmal wegen einer Finanzmaßregel 
vor dem Reichshofrat verklagt worden war, verfügte er an seine Behörde: „daß 
den renitenten Edelleuten allerlei Schikanen gemacht und ihnen solcher ge- 
stalt der Kitzel vertrieben werde, gegen ihren angeborenen Landesherrn und 
Obrigkeit an dergleichen frevelhaftes und gottloses Beginnen weiter zu ge- 
denken“ (Förster, Friedr. Wilh. I. II S. 228). 
27 Moser, a. a. O. Cap. 54 $ 28, handelt von diesem Punkte unter dem 
Titel „Bedenkliche Exekutionen.“ Perels, die allg. Appell. Privilegien f. 
Brandenb. Preußen (in Zeumer, Quellen und Studien III, 1 S. 92fl.), berichtet 
von einem mandatum de exequendo, welches das R.K.G. ganz korrekter Weise 
erteilt hatte „wider Herren Friedrich Wilhelm König von Preußen als Herzog 
von Kleve“. Der Erzbischof von Cöln und der Pfalzgraf bei Rhein, welche 
damit betraut waren, entledigen sich dieses Auftrags durch ein höfliches 
Schreiben an den exequendus mit dem Ersuchen um eigne Vollziehung des 
„Exekutionsmandates“ gegen seine Regierung zu Kleve. 
28 Schlözer, Allg. St.R. (1793) Abschn. III $ 8 in f.: „Glückliches 
Deutschland, das einzige Land der Welt, wo man gegen seine Herrscher, ihrer 
Würde unbeschadet, im Wege Rechtens bei einem fremden, nicht ihrem eigenen 
Tribunal aufkommen kann“. Und gegenüber einem häufig gebrauchten Spott- 
wort meint Häberlin, St.R. II S. 647: „Ein Glück, daß wir in Teutsch- 
land Revolutionsprozesse führen können“. Das ist nach ihm ein Sicherheits- 
ventil.
	        
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