Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

40 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
Dem Untertanen gegenüber hat seine Macht keine rechtlichen 
Grenzen; was er will, ist verbindlich. Von Hoheitsrechten ist nur 
dem Namen nach die Rede. Es gibt keinen Mißbrauch mehr und 
gibt keine beschränkenden jura.quaesita. Die Verantwortlichkeit 
vor Gott und seinem Gewissen einerseits, die vernünftige Er- 
wägung des Zweckmäßigen und Tunlichen andererseits, wohl auch 
noch vielfach, wenn auch uneingestanden, die Macht des Her- 
gebrachten, sind seine einzigen Schranken. Das Recht hat nichts 
damit zu tun“. 
lung solcher Kabinetsordres, die gerade wegen der Geringfügigkeit ihrer 
Gegenstände, des wahllosen Herausgreifens und des Wechsels in der Behand- 
lung den Wert rechtsgeschichtlicher Denkmäler haben. Wir finden z. B. 
Bd. IV S. 271: „S. K. M. von Pr. usw. haben höchst mißfällig in Erfahrung 
gebracht, daß der hiesige Gastwirt Plöger samt seinen Leuten bereits seit ge- 
raumer Zeit eine sehr schlechte und liederliche Wirtschaft führt“, Magistrat 
soll ihn „sogleich vorkriegen“ und ihm eröffnen, wenn er nicht sofort eine 
ordentliche Wirtschaft führe, „würden S. K. M. den Plöger samt seinen Leuten 
nach Spandau schicken und sein Haus an dessen Kreditor weggeben“. Vgl. 
auch die Fälle ebenda S. 276 (Hausanstrich), S. 303 (mißfallende Schau- 
stellung), S. 273, 277, 296, 297 (Meisteraufnahmen). 
* So Perthes, Deutsch. Staatsleben vor der Rev. S. 228 ff., insbesondere 
S. 237; den Zusammenhang zwischen dem Aufhören der kaiserlichen Autorität 
und dem Verschwinden der Grenzen der Hoheitsrechte hat Zimmermann, 
Deutsch. Pol. im 19. Jhrh. I S. 197, gut hervorgehoben. — Der Mangel aller 
Rechtsformen setzt die Rechtspflege noch heute manchmal in Verlegenheit, 
wie ein königlicher Willensakt aus jener Zeit zu beurteilen sei. C.C.H. 
8. April 1854 hatte folgenden Fall zu entscheiden: Eine Kirchengemeinde 
klagt gegen Fiskus auf ihr Eigentum an einem ehemaligen Kirchhofsgrund- 
stücke, das 17638 zum Kasernenbau verwendet worden war. Wie war das zu- 
gegangen? Ein Oberbaubeamter hatte damals dem Kirchenvorstand geschrieben: 
daß er von S.M. dem Könige Befehl habe, für Allerhöchst dero Artillerie dort 
eine Kaserne zu bauen. Dann war der Bau vorgenommen worden. Der Ge- 
richtshof entschließt sich anzunehmen, es habe damals eine Expropriation 
stattgefunden. Mit einer ebenso schwer zu beurteilenden Kabinetsordre aus 
späterer Zeit hat O.Tr. 7. Juli 1868 (Str. 71 S. 295) zu tun. — Bei dieser Ge- 
legenheit mag man sich der schönen Erzählung vom Müller von Sanssouci 
erinnern, zu deren Andenken die Ruinen der Mühle noch stehen geblieben 
sind, und des geflügelten Wortes, das sich daran knüpfte: il y a des juges 
& Berlin. Der König drohte, ihm seine Mühle wegzunehmen, wenn er sie ihm 
nicht freiwillig verkaufte, der Müller aber erwiderte zuversichtlich: „Ja, wenn 
das Kammergericht in Berlin nicht wäre“. Da wich der König zurück, — 
offenbar gerührt von der kindlichen Einfalt des Müllers, der da glaubte, mit 
einer Klage beim Kammergericht gegen einen solchen Eingriff des Königs 
etwas ausrichten zu können! Tatsächlich hat sich denn auch die Sache ganz 
anders zugetragen; vgl. die aktenmäßige Darstellung in: Märkische Forschungen 
Bd. VI (1858) S. 165 ff.
	        
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