$ 4. Der Polizeistaat. 41
2. Das Beamtentum erhält seinen Anteil an Besorgung
der Staatsgeschäfte durch den Fürsten zugewiesen. Die Pflichten
und Aufgaben sind im Interesse des Staatszwecks möglichst um-
fassend gehalten; insbesondere die Hauptstellen der Verwaltung,
die kollegialen Polizeibehörden, sind ohne weiteres berufen, alles
zu tun, was von ihnen und in ihrem Bezirke für die öffentlichen
Interessen geschehen kann und nicht einer andern Stelle besonders
vorbehalten ist. Sie stehen ihrerseits unter scharfer Zucht und
Aufsicht ihrer Vorgesetzten, vor allem des obersten Verwalters,
des Fürsten selbst. Jederzeit kann ein Befehl dazwischenfahren,
um besondere Anweisung zu geben. Ihre Anordnungen selbst
werden nicht bloß im Instanzenzug, sondern häufig unmittelbar
durch den Fürsten aufgehoben und abgeändert; oder auch der
Fürst greift selbst ein, um sie für diese oder jene Angelegenheit
einfach beiseite zu schieben und an ihrer Stelle Verfügungen
zu treffen.
Nach außen aber, dem Untertanen gegenüber, vertreten sie
den Fürsten und durch ihn den Staat und sind innerhalb des
Spielraums ihres Auftrags und ihrer Vollmacht ebendeshalb rechtlich
unbeschränkt. Wenn dem Beamten des älteren Staats die Grenzen
der Hoheitsrechte seines Herrn entgegengehalten werden konnten,
so ist das jetzt weggefallen. Wie der Fürst für die Gesamtheit
der Staatsaufgaben rechtlich alles vermag, was zur Durchführung
erforderlich ist, so der Beamte für seinen Teil, und da dieser
Teil allgemein und in umfassender Weise bestimmt zu sein pflegt,
so Steht der Beamte den Untertanen tatsächlich gegenüber wie
ein Fürst im Kleinen: der Untertan hat sich auch seinen Maß-
regeln schlechthin zu fügen®. Der Unterschied liegt nur darin,
6 Grävell, Antiplatonischer Staat 1808 S. 196, 197. Beispiele von Durch-
brechung aller Zuständigkeiten durch unmittelbare fürstliche Anordnungen
oben Note 3. Gegen das Ende der Periode werden solche Eingriffe seltener;
das Beamtentum sieht darin „Einmischungen“ in die ihım zustehende unmittel-
bare Geschäftsbesorgung, die zugleich „gewissermaßen ein Recht der Unter-
thanen“ sein soll. Vgl. darüber Zimmermann, Deutsch. Pol. I S. 142.
° So Roller, Württ. Pol. R. 1800 Vorrede S. V.: „Ein solcher Staats-
beamter darf als ein kleiner Regent in seinem Bezirke betrachtet werden“.
Ähnlich Schmoller in Ztschft. f. Preuß. Gesch. 1874 S. 564: „Die Steuerräte
waren im Kleinen, was der König im Großen war“. Über die Allgemeinheit
der Amtsaufträge: Kreittmayr, Anm. z. Cod. Max. V. S. 1731; Leist,
St.R. $ 101 (die Formel ist wie für die Bestimmung des Umfangs der obersten
Gewalt, daß sie berechtigt sein müssen zu allem, was sie zur Erfüllung ihrer
Amtspflichten nötig haben können; oben $ 3 I); ebenso Goenner, Staatsdienst
S. 219; Pfeiffer, Prakt. Ausf. III S. 304, 306.