$ 4. Der Polizeistaat. 47
Es ist also nicht an dem, daß die Staatstätigkeit, welche wir
heute Verwaltung nennen, damals ganz wild und regellos gelassen
worden wäre. Im Gegenteil, der landesherrliche Pflichteifer hatte
eher zu viel an ordnenden Vorschriften über sie ausgeschüttet.
Aber diese Ordnung war eben eine andere als die der Justiz, und
wenn die letztere von alters her zum Maßstab genommen wurde
für das, was Rechtsordnung ist, so gab es das, wenn man
näher zusah, für die Verwaltung nicht”,
Dem Gesetze, welches die Rechtsordnung bringen sollte,
fehlte hier die Kraft, ihr das zu geben, was ihren Wert ausmacht
für die Bürger und Untertanen, die Unverbrüchlichkeit. Darum
unterscheidet man gegenüber jenem allgemeinen weitgefaßten
Gesetzesbegriff schließlich nicht bloß ein „Gesetz im eigentlichen
Sinne“ als Vorschrift für die Untertanen, sondern, noch enger, das
von der Justiz gehandhabte, das allein das wahre Gesetz, das
„Rechtsgesetz“, vorstellt '®.
ıT Um sich für den musterhaften altpreußischen Polizeistaat zu begeistern,
ist es gar nicht nötig, ihn auch noch mit dem Lorbeer eines Schöpfers neuen
öffentlichen Rechtes zu schmücken, der ihm doch nicht zu Gesichte steht. Die
es tun, tragen immer gleich Sorge, diese neue Rechtsordnung so zu erläutern,
daß Jedermann sehen kann, sie sei keine. So Gneist, Rechtsstaat S. 149 ff.
(ein „jus extraordinarium“, ein „zuverlässiger Rechtsorganismus“, wobei es sich
aber nicht handelt „um gleichmäßige Anwendung einer Rechtsregel, sondern
um Handhabung von Zwangsgewalten nach den Gesichtspunkten des Zweckes“);
Schmoller, in Ztschr. f. Preuß. Geschichte 1874 S. 5ilff. (neues Recht er-
zeugt „durch die Tätigkeit der Steuerräte in Instruktionen und Befehlen“, so-
gar durch „einzelne Befehle“: S. 552); Hintze, in Acta Bor. VI S.8 („das
neue monarchische Verwaltungsrecht, dessen Normen zum großen Teil in ge-
heimen Instruktionen für die Behörden niedergelegt waren und dem Lande
unbekannt blieben“).
18 Eichhorn, Betrachtungen über die Verf. d. Deutsch. Bundes S. 41:
In Regierungssachen (= Verwaltungssachen; vgl. oben $ 1 Note 2) ist es
zulässig, „auch wenn eine bestimmte Norm vorhanden ist, auf die individuelle
Lage der Dinge Rücksicht zu nehmen und, was dem gemeinen Wohle an-
gemessen ist, zu verfügen, wenn es auch eine Abweichung von den in einer
Rechtsnorm aufgestellten Regeln enthält... Diese Gesetze...sindeigent-
lich nur Regeln für die vollziehenden Behörden des Staates,
welche bestimmen, wie weit diesen eine selbständige Verfügung zusteht“. Funke,
die Verw. in ihrem Verh. zur Just. (1840): Der Gegensatz zwischen Privatrecht
und öffentlichem Recht besteht darin, daß es nur auf dem Gebiete des
ersteren „Rechtsgesetze“ gibt (S. 40), Noch klarer die scharfsinnige
Schrift eines Ungenannten, die Trennung der Just. und Administration 1840:
Rechtsgesetze gibt es nur auf dem Gebiete des Privatrechts (S. 36); von den
Gesetzen, welche für Finanz-, Polizei- und Militärsachen ergehen, gilt, daß „der
Staatsbürger in bezug auf diese Gesetze und deren Wirkungen als Person gar