Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

54 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
wenn der eigentliche Staat auftritt. Daß er es ist, erweist sich 
bei durchgeführter Ausscheidung der fiskalischen Behörden schon 
Außerlich aus der Person seines Vertreters. Entscheidend aber ist 
immer die Gestalt seines Handelns: nur der Staat hat obrigkeit- 
liche Macht. Die allgemeine Form, in welcher diese erscheint, ist 
der Befehl und die Gewaltanwendung. Wo befohlen und 
gezwungen wird, ist der Staat, sonst überall der Fiskus. Damit 
erhält das Zivilrecht schon eine bedeutende Ausdehnung *®. 
Aber Zivilrecht gilt hier nebenher auch, wo der Staat befiehlt 
und wo es demnach bei Annahme einer einheitlichen Persönlichkeit 
des Staates nicht gelten könnte. Es gehört wenigstens mehr guter 
Wille dazu, als der Jurist haben darf, um auch dem Befehl so 
einfach eine „vermögensrechtliche Seite* abzugewinnen und ihm 
eine gleichzeitige Unterwerfung des Befehlenden unter das Zivil- 
recht anzuhängen. Die alte Fiskuslehre allein hat es möglich 
gemacht, ohne Nachteil des vernünftigen Denkens solche zivil- 
rechtliche Wirkungen unmittelbar mit obrigkeitlichen Akten zu 
verknüpfen. Es ist eben nicht der Staat selbst, den sie treffen, 
sondern der danebenstehende Fiskus; dieser erscheint in dem 
Akt nicht als Befehlender, folglich ist es kein Widerspruch, ihn 
dadurch zivilrechtlich zu verpflichten. In den verschiedenartigsten 
Wendungen wird dieser Gedanke auf die einzelnen obrigkeitlichen 
Geschäfte zur Anwendung gebracht und dazu verwertet, um den 
Untertanen Rechtsansprüche zu sichern. Der Staat nimmt den 
Beamten durch die Ernennung unter seine besondere Befehls- 
gewalt, vorher oder daneben aber schließt der Fiskus einen Vertrag 
mit ihm, einen zivilrechtlichen Vertrag, in welchem er Gehalts- 
zahlung verspricht. Der Staat läßt die schon einmal gezahlten 
Steuern einziehen, der Fiskus wird als der dadurch Bereicherte 
verpflichtet, nach den Grundsätzen der condictio indebiti. Der 
Staat legt mit seiner obrigkeitlichen Gewalt dem Einzelnen ein 
besonderes Opfer auf, und der Fiskus wird kraft zivilrechtlichen 
Rechtssatzes dem Betroffenen die angemessene Vergütung schuldig, 
auf welche er vor dem Zivilgerichte verklagt werden kann °®®. 
38 Sobald nicht mehr befohlen wird, bandelt es sich, wie die Gerichte 
sagen, um eine „reine Geldfrage“, und dann hat man es mit dem Fiskus zu 
tun: C.C.H. 11. Dez. 1852, 4. April 1855 (Kosmann, Erkenntnisse II S. 141, 
8. 249), 10. Okt. 1863 (J.M.Bl. 1863 S. 290). Hatschek, Rechtl. Stellung S. 38 
bringt dem entsprechend das Auseinanderfallen der zwei Persönlichkeiten in 
Zusammenhang mit der Unterscheidung von dominium und imperium. 
# In dieser Gestalt erscheint damals unser jetziges Rechtsinstitut der 
öffentlichrechtlichen Entschädigung; vgl. unten 5 52. Da man gegen den Staat
	        
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