Geschichtliche Entwicklungsstufen.
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85.
Der Rechtsstaat.
Der Polizeistaat füllt die Übergangszeiten aus zwischen dem
alten Recht und derjenigen Gestalt der Dinge, welche die Gegen-
wart uns zeigt. Er war nur der Zuchtmeister auf das neue
Staatswesen. Dieses steht aber auch auf seinen Schultern: was
er an Ideen geschaffen, wird nicht ausgelöscht oder rückgebildet,
sondern weiter entfaltet.
Seine großen Errungenschaften sind einerseits die unbedingte
Übermacht der Staatsgewalt, andererseits die Unterwerfung
eines staatlichen Lebensgebietes unter die Herrschaft von
Zivilrecht und Zivilrechtspflege. Beides ist übernommen
worden. Es gibt keine Hoheitsrechte mehr, in deren Schranken
der Staat dem Einzelnen gegenüber sich bewegte; es gibt jetzt
nur die allgemeine hoheitlich wirkende Staatsgewalt,
im Sinne der alten majestas populi Romani!. Zugleich bleibt
im Gegensatz zu dieser nach dem Vorgang des Polizeistaates die
Möglichkeit eröffnet, in gewissem Maße das jetzt wieder scharf
ausgeschiedene, nur auf die Verhältnisse der Einzelnen unter-
einander berechnete Zivilrecht auf den Staat zur Anwendung zu
bringen und die zur Erledigung von bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten bestimmten Gerichte gegen ihn anzurufen.
Dazu kommt aber jetzt, daß auch jene allgemeine hoheitliche
Macht des Staates in die Form und Gestalt des Rechtes gebracht
wird. Ein wirkliches — nicht bloß euphemistisch so genanntes —
öffentliches Recht für die Verwaltung ist entstanden
neben dem Zivilrecht, das auf sie Anwendung findet, aber nicht
etwa nur gleichberechtigt mit diesem, sondern als ihr eigent-
liches Recht, dem gegenüber das Zivilrecht hier die Ausnahme
bildet (vgl. unten $ 11, II).
Es handelt sich um einen Neubau auf leerem Boden.
sonstige Maßregel der Regierung auf ihre Gesetzmäßigkeit: Pfeiffer, Prakt.
Ausf. 1 S. 258, 111 S. 561.
1 Noch 1840 schreibt Miruss ein Deutsches Verwaltungsrecht unter dem
Titel: Die Hoheitsrechte in den deutschen Bundesstaaten. Diese bilden denn
mit den Begriffen des neuzeitlichen Staatsrechts die künstlichsten Ver-
schlingungen (S. 1, 67, 8l. Gerber, Grundlinien S. 67 Note, hat dem Be-
griff der Hoheitsrechte ein für allemal sein Urteil gesprochen. Den alten
Namen mag man ja immer noch zu allerhand Einteilungen verwenden; so
Gareis, Allg. St.R. S. 25 ff., die Sache ist nicht mehr dahinter.