Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

62 Geschichtliche Entwicklungsstufen. 
staat geforderte „Realisierung“ könnten nur die Urteile der ordent- 
lichen Gerichte liefern !!. 
Die Frage hatte sich praktisch zugespitzt auf den einen Punkt: 
kann es eine Verwaltungsrechtspflege geben? Im Namen 
der Zweckmäßigkeit wie im Namen der Selbständigkeit der Ver- 
waltung wurde es gefordert, im Namen jenes starren Justiz- 
grundsatzes nicht ohne Erfolg bestritten!?. Das wirkliche Recht 
hat bekanntlich zugunsten der Verwaltung entschieden. Diese 
Entscheidung mußte von selbst hinauswirken über ihren unmittel- 
baren Gegenstand. Können Behörden, die der Verwaltung an- 
gehören, rechtlich bindend bestimmen für den Einzelfall, wenn sie 
es unter der Bezeichnung Verwaltungsgericht und unter Beobachtung 
gewisser Verfahrensgrundsätze tun, so ist nicht abzusehen, weshalb 
ihre gleichartigen Aussprüche nicht auch sonst solche Wirkungen 
haben sollten, nur etwa ohne die Besonderheiten, die an jenem 
Namen und Verfahren hängen mögen. 
Um das auszudrücken, bildete man den weiteren Begriff der 
„verwaltungsjurisdiktion“ '®*,. Dann’ sprach man solche bindende 
Kraft wieder in besonderem Grade den obrigkeitlichen Willens- 
erklärungen zu, die als „Rechtsprechungsakte“ oder als „Ent- 
scheidungen“ sich genauer kennzeichnen sollten'*. Wo die der 
1 So vor allem Bähr iu seinem glänzend geschriebenen Buche: Der 
Rechtsstaat, S. 52ff. — Pann, Reform d. Verw.R. S. 14 betrachtet es immer 
noch als „das Ideal eines Rechtsstaates ... wenn in derartigen Fällen (be- 
strittene Militärpflicht, Einquartierung, Steuerleistung) der Staat wie jeder 
Private seinen Anspruch gerichtsordnungsmäßig im Wege der Klage geltend 
machen müßte“. Das könnte schön werden! 
’® Mohl, Enzyklop. $ 35 Note 5 gibt eine Zusammenstellung der „Lite- 
ratur für und gegen die Zulässigkeit einer Verwaltungsrechtspflege“. Der höchste 
Triumph der Justizpartei war wohl $ 181 der Frankfurter Reichsverfassung: 
„Die Verwaltungsrechtspflege hört auf. Über alle Rechtsverletzungen ent- 
scheiden die Gerichte“. 
18 Gneist will mit diesem dem englischen Rechte entlehnten Ausdruck 
die „quäsirichterliche Stellung“ der Verwaltungsbehörden bezeichnen: Verw. 
Just. Rechtsweg S. 167, S. 170; Engl. Verw.R. 1 S. 388, 390, 394. Ganz im 
Sinne unseres Begriffes Sarwey, Öf.R. u. Verw.R.Pfl. S. 4: Verwaltungsjuris- 
diktion ist „jede mit zwingender Kraft erfolgende Bestimmung menschlicher 
Lebensverhältnisse durch die Organe des Staates“ außerhalb der Justiz. Vgl. 
auch ebenda S. 639 Note 1 und Sarwey, Allg. Verw.R. S. 45 ff. 
ie F, F. Mayer, Grunds. d. Verw. Justiz (1862) S. 39: Die Verwaltung 
ist berufen, „mit rechtlicher Wirkung für die Einzelnen wie für den Staat zu 
bestimmen, Recht zu sprechen“; das ist „im Rechtsstaat die natürlichste 
und erste Anforderung an die Verwaltung“. Leuthold, in Annalen 1884 
S. 418 ff., sieht den Wert des Rechtsstaates darin, daß die Verwaltung ähnlich
	        
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