$ 7. Die bindende Kraft des Verwaltungsrechtssatzes. 75
Gestalt von Rechtssätzen und allgemeinen Regeln
handelt?°. Auf diese Weise dient der Vorbehalt des Gesetzes
dazu, auf das ganze weite Gebiet der Verwaltung, das er umfaßt,
einen mächtigen Druck auszuüben im Sinne der Verwirklichung
der Forderungen des Rechtsstaates.
8 7.
Die bindende Kraft des Verwaltungsrechtssatzes.
Das Gesetz soll Rechtssätze liefern auch für die Verwaltung.
Dieser Aufgabe kommen die weiteren Vorzüge zugute, Vorrang
und Vorbehalt, mit welchen es ausgestattet ist (vgl. oben $ 6 n. 2
u. n. 3). Solche Rechtssätze können noch aus anderen Quellen
fließen, wo dann diese Vorzüge nicht mitwirken (vgl. unten $ 8
n. 2—4). Der Rechtssatz selbst bleibt nach Kraft und Wesen sich
immer gleich, woher er auch stamme.
Im Rechtssatz erscheint den Untertanen gegenüber die
formale Gerechtigkeit der Öffentlichen Gewalt. Sie wirkt
auf Grund des allgemeinen Untertanenverhältnisses, in dem alle
gleichmäßig stehen, schlechthin verbindlich. Und ihre
Wirkung knüpft sich an allgemein im Voraus bestimmte Merk-
male, geschieht nach fester Regel. Der Rechtssatz ist die
schlechthin verbindliche feste Regel!.
%0 Dagegen halte ich es nicht für richtig, zu sagen: Eingriffe in Freiheit
und Eigentum dürften stets nur „auf Grund eines Rechtssatzes“ geschehen
(Laband, St.R. II S. 186; Arndt, Verord.R. S. 67, Selbstd. Verord.R.
S. 74ff.; Anschütz, Begriff der gesetzgeb. Gewalt S.9, S. 73 ff). Der Vor-
behalt ist zugunsten des verfassungsmäßigen Gesetzes, nicht des Rechtssatzes
gemacht. Dieses kann auch auf dem vorbehaltenen Gebiete in Form von
Einzelverfügungen vorgehen, indem es z. B. das Vermögen des Königs von
Hannover beschlagnahmt. Vgl. aber zum Verständnis dieser Meinungs-
verschiedenheit unten $ 7 Note 1.
1 Wir berühren damit eine alte Streitfrage, die keine sein sollte. Es kann
ja sehr wohl zutreffen, daß, wie Laband, St.R. II S. 2, hervorhebt, ein Gesetz
(= Rechtssatz) „nur auf einen einzigen Tatbestand anwendbar wird“. Es kann
sogar möglicher Weise überhaupt keinem Tatbestand begegnen, auf den es an-
wendbar wird. Aber ein „Rechtssatz“, der seine Wirkung von vorneherein auf
einen bestimmten einzelnen Tatbestand beschränkt, leistet nicht, was eine Rechts-
ordnung soll, von der er doch ein Stück zu sein beansprucht. Und ein Staat,
der eine Rechtsordnung besitzt, die aus lauter „Individualgeboten“ besteht
(Jellinek, Ges. und Verord. S. 238; zustimmend Anschütz, Krit. Stud. z.
Lehre vom Rechtssatz S. 25), hat überhaupt keine Rechtsordnung. — Die Schick-
sale des Wortes Gesetz, das ja mit dem Rechtssatz so eng zusammenhängt,
entschuldigen viel Mißverständnis.