Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.1. Deutsches Verwaltungsrecht. (1)

70 Grundzüge der Verwaltungsrechtsordnung. 
Gegenüber der schrankenlos gewordenen Staatsgewalt war es 
eine Errungenschaft der Justiz, dieser Regel ihre Festigkeit 
und damit dem Recht seine Zuverlässigkeit zu gewährleisten 
(vgl. oben $ 4, II); der Rechtsstaat hat das durch die Ausbildung 
der bindenden Kraft des Gesetzes, seiner Rechtssatzkraft, ver- 
allgemeinert und vervollkommnet (vgl. oben $ 5, Iund 8 6 n. ]). 
Daß die Regel dabei unter die Obhut erst der selbständigen Ge- 
richte, dann auch der Volksvertretung gestellt wird, gibt ihr zu- 
nächst nur die nötige Machtstellung. 
Ihren vollen Wert erhält sie erst durch das feinere Gewebe 
rechtlicher Durchgestaltung, das sich darüber breitet. 
Die Eigenart des Rechtssatzes oder des Gesetzes, in welcher 
Gestalt er ja nun vor allem erschien, hat sich seiner Zeit fühlbar 
gemacht am Gegensatz zur Instruktion oder Dienstanweisung: 
während diese nur dem Beamten gilt, wirkt das Gesetz auf den 
Untertan (vgl. oben $ 4, ID). Es tut das aber nie allein, sondern 
dieser seiner Wirkung nach außen entspricht immer eine solche 
auf das zuständige Richtertum, welches gehalten ist, danach zu 
verfahren. In dieser Zweiseitigkeit liegt die gesicherte 
Wirkung des Rechtssatzes geordnet; sie gehört zu seinem Wesen‘. 
Bei der Justiz stellt sich das in der bekannten Weise dar. 
Wenn das Zivilrecht die Machtverhältnisse der Einzelnen 
untereinander ordnet, so sieht es so aus, als sei die öffentliche 
Gewalt von den gegebenen Ordnungen unmittelbar gar nicht be- 
rührt. In Wirklichkeit ist aber das Zivilrecht erst dadurch Recht, 
daß auch der Richter daran gebunden ist. Der Zivilrechtssatz 
ordnet immer zweierlei Rechtsverhältnisse zugleich: das zwischen 
den Einzelnen unter sich und das zwischen den Einzelnen und der 
öffentlichen Gewalt. Wenn er sagt: unter solchen Voraussetzungen 
soll der eine dem andern die Sache liefern, so sagt er zugleich: 
2 Vortrefflich ist diese Eigenart des Rechtes gezeichnet bei Jhering, 
Zweck im Recht I S. 333 ff. Von der einseitig wirkenden Norm der Despotie 
gelangt er S. 344 zur Bedeutung des Gesetzes im Rechtsstaat: „Recht im vollen 
Sinne des Wortes ist also die zweiseitig verbindende Kraft des Gesetzes“. 
Insbesondere enthält die im Gesetze an die Untertanen gerichtete Norm immer 
auch das entsprechende Sollen für die Behörde (S 337). Vgl. auch Binding, 
Stf£R. I S. 165 Note 27; Haenel, Ges. in form. und mat. Sinne S. 196; Fleiner 
Inst. S. 58, S. 63. — Ganz ahnungslos Schein, Unsre Rechtsphilos. und Jurispr. 
S. 11, und nicht viel besser Bornhak, Preuß. St.R. (l. Aufl.) I S. 442, der 
nicht absehen will, weshalb eine Instruktion nicht ebensowohl den Eharakter 
einer Rechtsnorm haben soll wie eine gesetzliche Bestimmung. Die 2. Aufl. I 
S, 470 hat diesen Satz weggelassen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.