Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

8 35. Das öffentliche Eigentum; Begriff und Umfang. 97 
kraft Wegegerechtigkeit der Gemeinde, des Staates, auch öffentliche 
Abwässerleitungen der Städte liefern Beispiele ®®, 
Wenn man aus der Tatsache, daß hier über das belastete 
Eigentum nach den Regeln des bürgerlichen Rechts verfügt werden 
kann, einen Beweis entnehmen will, daß die öffentliche Sache über- 
haupt dem bürgerlichen Rechte unterstehe, so zeugt das von großer 
Kurzsichtigkeit. Noch verfehlter ist es, aus diesem besonders ge- 
arteten Fall den Schluß zu ziehen, daß das Wesen des Öffentlichen 
Eigentums überhaupt in einer Öffentlichrechtlichen Belastung des 
®® Bayr. Ob.G.H. 9. Nov. 1868 (BL f. adm. Pr. 1870 S. 391): öffentlichrecht- 
liche Wegeservitut über den Hof eines Privatgrundstücks. Württ. V.G.H. 5. Mai 
1880 (Württ. Arch. f. R. XXII S. 221): öffentliche Dohle unter einem Privathaus, 
welche der Stadt vermöge einer „öffentlichrechtlichen Servitut“ gehört. Sächs. 
0.V.G. 1. Dez. 1906 (Jahrb. X 8. 132): Nach Bauvorschrift sollen die Hausbesitzer 
„Laubengänge“ für den öffentlichen Verkehr einrichten, als Dienstbarkeit zugunsten 
der Stadt; das kenn nur im Wege der Enteignung erzwungen werden, gibt aber 
dann eine öffentlichrechtliche Dienstbarkeit. R.G. 10. Jan. 1883 (Entsch. VIH 
S. 152): Ein Hamburger Siel, welches unter einem Privathaus durchführt, be- 
deutet für die Stadt „ein öffentliches Recht, welches nach Art einer Dienstbarkeit 
das Privateigentum beschränkt“. — 
Zweierlei ist hier auszuscheiden: 
Einmal die auferlegte öffentlichrechtliche Dienstbarkeit, 
welche das belastete Grundstück nicht zur öffentlichen Sache macht. Von ihr 
wird unten $ 40 die Rede sein. Sie ist wesentlich anderer Natur. 
Sodann die dem Gemeinwesen zustehende Dienstbarkeit, welche ganz die- 
selbe Entstehung und Gestalt hat wie die hier betrachtete, nur daß sie nicht 
dazu dient, das belastete Grundstück zu einer unmittelbaren Erscheinung öffent- 
licher Verwaltung und damit zu einer öffentlichen Sache zu machen. Sie 
selbst bleibt eben deshalb eine Dienstbarkeit zivilrechtlicher Natur. 
Die Grenzlinie wird vor allem wichtig, wenn die Dienstbarkeit doch noch einem 
öffentlichen Zwecke dient, nur aber nicht mit der erforderlichen Unmittel- 
barkeit. V.G.H. 15. Dez. 1885 (Samml. VI S. 241) spricht von einer Dienstbarkeit, 
welche zugunsten einer gemeindlichen Wasserleitung an Quellen in einer Nachbar- 
gemeinde bestellt wurde, um Veränderungen zu verbieten, welche den Bestand des 
Werkes gefährden könnten. Das Gericht scheint das für eine öffentlichrechtliche 
Servitut zu halten. Allein wenn man vielleicht einen Gemeindebrunnen für eine 
öffentliche Sache ansehen könnte (vgl. unten Note 48), so ist das von der Wasser- 
leitung doch wohl nicht zu sagen (R.G. 23. Nov. 1880, Entsch. IV S. 132; anders 
Sächs. 0.V.G. 5, Nov. 1907, Jahrb. V S. 78), und von dem belasteten Quell- 
grundstück, das erst dieser wieder dient, erst recht nicht: die Unmittelbarkeit der 
Darstellung des öffentlichen Zweckes fehlt. R.G. 6. Okt. 1885 (Entsch. XIV S. 214) 
handelt von einer vertragsmäßig bestellten Servitut der Stadt an einem sogenannten 
Schloßberg, vermöge deren die Ruinen und Anlagen nebst Zugängen dem gesamten 
Publikum offen stehen sollen. Auch dieser Schloßberg mit Zubehör ist keine 
öffentliche Sache, go wenig wie sonstige städtische Ziergärten und Parks, die dem 
Publikum offen stehen. Die Servitut ist also privatrechtlicher Natur. 
Binding, Handbuch. VI.2: Otto Mayer, Verwaltungsrecht. II. 2. Aufl. 7
	        
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