100 Das öffentliche Sachenrecht.
herauskommen soll: die Sache soll ja um jener Unmittelbarkeit
willen mit einer besonderen Rechtsordnung umgeben werden, die
im Gegensatz zu der Rücksichtslasigkeit des bürgerlichen Rechts
überall darauf berechnet ist, ihr rechtliches Schicksal dem wohl-
erwogenen Bedürfnis des bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung
angepaßt zu halten‘. Rechtsansprüche und Rechts-
beschränkungen, welche in Widerspruch damit nach den Regeln
des gemeinen Zivilrechts sich begründen würden, könnte man ja
im Wege des Vertrags oder nach den Grundsätzen der Enteignung
wieder beseitigen. Es muß sich also um Sachen handeln, für die
das nicht genügt, in denen der Zweck der öffentlichen Verwaltung
so empfindlich ist, daß er auch die Hemmnisse, die das durch-
zuführende Verfahren und vor allem die Rücksicht auf die zu
zahlende Entschädigung bereitet, nicht verträgt. Diese besondere
Empfindlichkeit allein also kann den Maßstab liefern, nach welchem
der Kreis der öffentlichen Sachen sich abgrenzt.
Betrachten wir im Lichte dieser praktischen Vernunft der
öffentlichen Sache unser geltendes Recht, so soll es nicht schwer
sein, die entsprechende Abgrenzung darin wiederzufinden. Nicht
klar erfaßt und ausgesprochen — dafür ist die theoretische Bildung
nicht genug entwickelt —, aber das Ergebnis stimmt.
Unsere Gesetzgebung hat zu der Frage regelmäßig Stellung
genommen bei Ordnung des bürgerlichen Rechts, wie das der
älteren Auffassung von der Öffentlichen Sache entsprach. Die
großen bürgerlichen Gesetzbücher der Neuzeit versuchen sich gern
in einer den Lehrbüchern entnommenen Aufzählung der öffentlichen
Sachen. Der Hauptzweck ist dabei, das Eigentum des Staates
außer Zweifel zu stellen und dabei doch hervorzuheben, daß es
kein gewöhnliches Eigentum sei. Die Aufzählung enthält stets die
wichtigsten Sachen, die nach dem soeben betonten Merkmal hierher
gehören®’. Dazwischen wohl auch anderes, und es ist bemerkens-
wert, wie diese fremdartigen, d. h. unserem Merkmal nicht ent-
sprechenden Zutaten im wirklichen Recht unbedenklich, auch dem
»e Wegen dieses Zieles der besonderen Rechtsordnung des öffentlichen Eigen-
tums vgl. oben S. 75.
® A.L.R. II, 14 8 21: „Die Land. und Heerstraßen, die von Natur schiff-
baren Ströme, die Ufer des Meeres und die Häfen sind gemeineg Eigentum des
Staates.” Bayr. L.R. II, 1,5 und Gem. Ed. v. 1808 58 15—17; code civil art. 538. ;
Osterr. B.G.B. $ 287.— Das deutsche B.G.B. handelt absichtlich nicht von öffent-
lichen Sachen, da es sich von öffentlichrechtlichen Dingen überhaupt fern hält.
So Mot. z. 1. Entw. II S. 27.