Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 35. Das öffentliche Eigentum; Begriff und Umfang. 107 
angesehen als gleichwertig der eigenen Verwaltungstätigkeit des 
Staates, sie gilt als öffentliche Verwaltung. Das ihr zugehörige 
Kirchengebäude dient dieser Verwaltung, und zwar in besonders 
unmittelbarer Weise: sein Besitz und Bestand selbst stellt schon 
Gottesdienst dar. So wenigstens nach der hier maßgebend ge- 
wordenen katholischen Anschauung. Damit erfüllt sich an ihm 
wieder die Idee der öffentlichen Sache. Die Rechtsfolgen davon 
treffen zusammen mit denen, welche die alte res sacra ergeben 
mußte, und das erleichtert das Durchdringen dieser Auffassung. 
Die besondere Heiligkeit der Sache macht sie empfindlich gegen 
jede Rechtseinwirkung, die nicht geordnet ist nach der besonderen 
Rücksichtnahme auf ihren Zweck; die Behandlung als öffentliches 
Eigentum des Staates, der Gemeinde oder der kirchlichen Gemein- 
schaft entspricht wieder dem Bedürfnis®. 
Ähnlich die Kirchhöfe. Das kirchliche Recht hatte hier die 
älte res religiosa durch die res benedicta ersetzt, mit ähnlicher 
Wirkung, wie sie die consecratio an den Kirchengebäuden hervor- 
brachte. Von da führt dann wieder eine ähnliche Entwicklung zu 
der öffentlichen Sache. Die Kirchhöfe der öffentlichen Religions- 
gesellschaften bilden ein Stück von deren Verwaltung, welche der 
neuzeitliche Staat der seinigen gleichstellt. Im weiteren Verfolg 
vollzieht sich dann mehr und mehr eine Verweltlichung der Kirch- 
höfe; sie werden öffentliche Sachen der bürgerlichen Gemeinde. 
  
‚ Daß man sie als öffentliche Sachen bezeichnet und in aller Form unter 
diesen aufzählt, würde nicht so entscheidend sein. Allein tatsächlich behandelt 
man sie auch ganz nach der für solche Sachen anerkannten besonderen Rechts- 
ordnung. Gierke, D. Pr.R. II S. 32 ff., unterwirft sie dem „Gemeingebrauch“, 
der „Objektiven Zweckgebundenheit“ und den damit gesetzten „Schranken des 
Privatrechtsverkehrs“. Die „mitgliedschaftlichen Sonderrechte“ an Kirchstühlen 
(a. a.0. 8.33 Note 59), welche „nicht reine Privatrechte“ sind, werden wir unten 
3 39 als verliehene besondere Nutzungen genauer kennen lernen. 
Gemeingebrauch besteht allerdings an den Kirchen nicht (vgl. unten $ 37); 
es gibt überhaupt kein öffentliches Gebäude, das einem solchen unterliegt. Es 
gibt auch, außer den Kirchen, kein öffentliches Gebäude, das eine öffentliche Sache 
Im Rechtssinn vorstellte; sie dienen überall dem öffentlichen Zweck nur mittelbar; 
die öffentliche Anstalt oder Einrichtung, der sie zum Obdach dienen, ist das 
eigentlich Wirkende. Wenn bei den Kirchen diese Eigenschaft ganz ausnahms- 
weise doch erscheint, so hängt das offenbar zusammen mit gefühlsmäßig über- 
nommenen Anschauungen der res sacra. Ebenso gefühlsmäßig erstreckt sich die 
gleiche Behandlungsweise auch auf die protestantischen Kirchen, für welche doch 
gene grundlegende Rechtsidee von Haus aus fehlt. Woher die besondere Emp- 
Ändlichkeit der öffentlichen Verwaltung für ihre Sache kommt, dafür gibt es eben 
keine einheitliche Formel. Es muß uns genügen, festzustellen, wo sie besteht.
	        
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