$ 36. Die Rechtsordnung des öftentlichen Eigentums. 109
Damit das seinen Anfang nehmen könne, muß der Staat die
rechtliche Verfügungsmacht über die erforderlichen Grundstücke
besitzen. Soweit er nicht schon mit verwendbarem Grundbesitz
ausgestattet ist, beschafft er sich ihn durch privatrechtliches
Rechtsgeschäft,; das geschieht auf dem Wege des Kaufs, des
Tausches oder auch unentgeltlich, wenn an der Förderung seines
Unternehmens der Übertragende seinerseits sich hinlänglich beteiligt
findet. Statt dessen kann der Erwerb auch öffentlichrechtlicher-
weise vor sich gehen auf dem Wege der Enteignung. Der Erfolg
ist zunächst überall der gleiche: Eigentum, das für alle weiteren
Beziehungen des neuen Eigentümers die Regeln des bürgerlichen
Rechts zur Anwendung kommen läßt, privatrechtliches
Eigentum.
Nun beginnen die Herrichtungsarbeiten an den erforder-
lichen Grundstücken, um sie geeignet zu machen, als öffentliche
Sache zu dienen, den Zweck zu erfüllen, der hier erreicht werden
soll. Man gibt den Grundstücken die äußere Gestalt eines Weges,
eines Kanals, eines Festungswerkes. Diese Arbeiten, als auf den
Öffentlichen Zweck gerichtet,’ gehören ihrerseits schon zur Öffent-
lichen Verwaltung und sind auch möglicherweise mit besonderen
rechtlichen Vorzügen ausgestattet!. Der bearbeiteten Sache selbst
gibt das zunächst keine veränderte Rechtslage; das Eigentum daran
bleibt privatrechtlicher Natur. Auch die Fertigstellung des Werkes
bewirkt nicht von selbst einen Umschlag. Das ist alles noch etwas
rein Tatsächliches. Entscheidend ist und abschließend der Willens-
akt der Verwaltung, durch welchen die also hergerichtete Sache
in den Dienst des öffentlichen Zweckes gestellt wird,
ihre Widmung für diesen Zweck ®.
Diese Widmuug ist kein obrigkeitlicher Akt, kein Urteil, kein
Verwaltungsakt. Sie enthält keinen bindenden Ausspruch dessen,
was Rechtens sein soll. Sie ist der ins Werk gesetzte Wille des
Staates, der Gemeinde usw., von nun an den bestimmten Öffent-
MT —
t Mit Rücksicht auf solche Besonderheiten, die natürlich dem Öffentlichen
Becht angehören, hat die französische Verwaltungsrechtswissenschaft den Begrift
der travaux publics, der öffentlichen Arbeiten, ausgebildet; die Arbeiten für
öffentliche Sachen bilden nur einen Fall davon; ausgeschlossen sind Arbeiten für
privatwirtschaftliche Zwecke des Staates: Block, Diet. II S. 2569 („en tant qu'il
De Sagit pas de son domaine prive“); Theorie d. franz Verw.R. S. 276.
: ' Germershausen, Preuß. Wegerecht I S. 5; Fleiner, Instit. S. 329
Gierke, D. Pr.R. II 8.20; R.G. 4. Febr. 1901 (Entsch. XLVIII S. 297);
0.1.6, 20. Febr. 1889 (Entsch. XVIII S. 321); 6. Mai 1896 (Entsch. XXX 8. 212);
3%. Okt. 1905 (Fischer Ztschr. XXXI $. 355).