110 Das öffentliche Sachenrecht.
lichen Zweck durch diese Sache zu erfüllen — der rechtlichen
Natur nach etwa zu vergleichen mit der handelsrechtlichen Ge-
schäftseröffnung ®.
Das kann mit mehr oder weniger Feierlichkeit zum Ausdruck
kommen: die festlich geschmückte Lokomotive, von weißgekleideten
Jungfrauen begrüßt, das Dampfschiff des Landesherrn, das seidene
Band durchschneidend, das die Einfahrt in den neuen Kanal sperrte,
das kirchliche Gepränge zur Eröffnung des fertiggestellten Gottes-
hauses. Die Widmung der neuen Straße in der Großstadt vollzieht
sich sehr nüchtern durch Beseitigung der Sperre, welche die
Arbeiten des Ausbaues geschützt hatte. Beim Festungswerk merkt
man umgekehrt die entscheidende Wendung an der Tatsache, daß
die Wallpolizei nunmehr mit ihrer ganzen Strenge zur Geltung
gebracht wird.
Der irgendwie zutage tretende Wille des Herrn der öffent-
lichen Sache, von nun an durch sie Öffentliche Verwaltung zu
führen, bewirkt den großen Umschlag: diese Widmung macht
aus dem Privateigentum Öffentliches, aus der privatrechtlichen
Wegedienstbarkeit eine Öffentlichrechtliche und gibt ebenso auch
dem bloßen Besitz jene Öffentlichrechtliche Natur, die wir schil-
derten *.
® Mißverständnis der römischen publicatio hat hier dazu geführt, einen
formell wirksamen Akt anzunehmen, der der Sache die öffentlichrechtliche Natur
gibt, und dieses kraft eines der Verwaltung zustehenden jus publicandi, eines
„schöpferischen Rechts“. So Eisele, Rechtsverh. der res public. S. 35. Folge-
richtig erklärt Eisele es nicht für nötig, daß die Sache auch schon zugerichtet
und fähig sei, dem öffentlichen Zwecke zu dienen: der Beschluß genüge (a. a. O.
S. 33 Note 2). Das trifft nicht zu. Richtig bezüglich der öffentlichen Kirchen-
gebäude O.Tr. 12. Nov. 1867 (Strieth. LXIX S. 73): „Die Bestimmung zum Gottes-
dienste macht das Gebäude nicht zur res sacra (öffentlichen Sache); es muß auch
die tatsächliche Verwendung hinzutreten.“ Brinz, Pand. $ 128, nennt unsere
Widmung mit Rücksicht auf den sich daraus ergebenden Gemeingebrauch geradezu
„eine Art öffentlicher Stiftung“. Auch Regelsberger, Pand. I1S.420, sieht darin
„ein Rechtsgeschäft“ zur „Hingabe der Sache in die allgemeine Benutzung“, eine
„Stiftung“. Daraus haben dann verwaltungsrechtliche Schriftsteller eine „Erklärung
der Öffentlichkeit“ oder „Verleihung der Eigenschaft der öffentlichen Sache“ ge-
macht. Auch Fleiner behandelt die Sache zu formell, wenn er von der Wid-
mung sagt: die Sache werde hier „durch einen öffentlichrechtlichen Akt des zu-
ständigen Staatsorgans zu einer öffentlichen gestempelt“ (Instit. S. 328/829). Mit
dem bloßen „Stempeln“ ist es hier nicht getan; Fleiner selbst erläutert ja die
Widmung mit mir als „Indienststellung“ (S. 329).
‘ Germershausen, Preuß. Wegerecht I S. 5: „Es genügt auch die still-
schweigende Bestimmung für den öffentlichen Verkehr.“ Stillschweigende Ver-
waltungsakte gibt es ja nicht; vgl. oben Bd. I S. 246.