$ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums. 117
2. Die öffentliche Sache ist dem Rechte, welches für Grund-
stücke im Privateigentum gegeben ist, entzogen. Anders aus-
gedrückt: der Staat als Herr der öffentlichen Sache ist nicht Fiskus,
lebt nicht nach Untertanenrecht. Vgl. Bd. IS. 118 ff.
Es ist falsch, zu sagen: die öffentliche Sache sei unveräußer-
lich. Sie ist veräußerlich, wie wir soeben feststellten. Aber die
Rechtsinstitute des bürgerlichen Rechts, welche für Veräußerungs-
geschäfte gegeben sind, finden darauf keine Anwendung».
Und der Ausschluß beschränkt sich andererseits nicht auf
Veräußerungsgeschäfte: das ganze bürgerliche Recht. hat mit dem
öffentlichen Eigentum nichts zu tun!®,
Ausgeschlossen ist das Rechtsinstitut der Ersitzung. Aus-
geschlossen sind alle Rechtsinstitute des bürgerlichen Rechts, welche
Belastungen und Beschränkungen des Eigentums zu be-
wirken hätten. Und zwar sind nicht bloß Verträge und Ersitzungen
dieses Inhalts ausgeschlossen; auch gesetzliche Dienstbarkeiten und
Eigentumsbeschränkungen, soweit sie dem bürgerlichen Recht ent-
stammen, wirken hier nicht. Für Bestellung von Reallasten,
Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld ist das öffent-
'# Wenn Ulbrich, Öffentl. Rechte S. 49, sagt: „daß an öffentlichen Sachen
Privatrechte konstituiert werden können, ist sowohl nach römischem als nach
modernem Privatrechte unzweifelhaft“, so ist es notwendig, den Doppelsinn des
Wortes „Privatrechte“ zu beseitigen. Rechte der Privaten können konstituiert
werden, aber nicht privatrechtliche Rechte, und daß erstere konstituiert werden
können, das wird erst möglich durch das öffentliche Recht und in dessen
Formen. Die scheinbaren Ausnahmen werden jetzt ihre Erklärung finden (vgl.
unten S, 119 ff.).
'8 Belege sind leicht anzuführen, freilich auch Gegenbelege. Unser Satz wird
zu erhärten sein, indem wir nachher dartun, daß die Fälle, die man zur Widerlegung
anruft, lauter Mißverständnisse bedeuten. Zuvörderst nur, um den vollen Umfang
dieses Ausschlusses des bürgerlichen Rechts zu beleuchten, sei darauf hingewiesen,
daß auch die Hilfseinrichtungen zur Sicherung bürgerlichrechtlichen Eigentums
und Eigentumserwerbes hier von selbst wegfallen. Das Reichsgericht hat das in
einem hochbedeutsamen Urteil bezeugt. Es handelte sich um ein Hamburger Siel,
einen städtischen Abzugskanal, der unter einem Privathaus durchführte, als öffent-
liche Sache kraft öffentlichrechtlicher Grunddienstbarkeit. Das Haus wurde ver-
steigert, und der Erwerber klagte gegen die Stadt auf Beseitigung des Siels, weil
nach dem hamburgischen Gesetz v. 4. Dez. 1868 der Zuschlag alle nicht besonders
angemeldeten und vorbehaltenen Rechte an der Sache tilgte. Das Reichsgericht
erkannte: es handle sich um eine res publica, um eine öffentliche Anlage; auf die
findet das Privatrecht keine Anwendung und folglich auch nicht die zu seiner
Sicherung gegebene Verwirkungsvorschrift; das Recht der Stadt blieb gewahrt,
und nur auf diese Weise konnte es gewahrt bleiben: R.G. 10. Jan. 1883 (Entsch.
MS. 152). Der Grundsatz gilt natürlich auch unter dem B.G.B. noch.