$ 36. Die Rechtsordnung des Öffentlichen Eigentums. 119
dienstbarkeiten und Eigentumsbeschränkungen des
öffentlichen Rechts: die Verständigung der beiderseits die
öffentliche Verwaltung vertretenden Behörden, nötigenfalls das
Eingreifen der gemeinsamen Oberen schafft den wünschenswerten
Ausgleich. —
Der auf solche Art gefeite Kreis hat seine Grenzen, jenseits
welcher wieder das Untertanenrecht seine Herrschaft be-
hauptet. Werden sie nicht genau wahrgenommen, so entstehen
allerlei Mißverständnisse und Zweifel an der Echtheit des öffent-
lichen Eigentums:
— Bürgerliches Recht wird selbstverständlich anwendbar, so-
hald die öffentliche Sache aufhört öffentliche Sache zu sein. Die
Form dafür gibt die unter III. zu betrachtende Einziehung.
Es ist denkbar, daß im Hinblick auf eine künftige Einziehung
jetzt schon zivilrechtliche Akte vorgenommen werden, um Wirksam-
keit zu erlangen mit jenem Zeitpunkt. Einstweilen bleiben sie
wirkungslos 1°,
— Öffentliche Sachen können bestehen nicht bloß in Gestalt
von öffentlichem Eigentum, sondern auch kraft einer bloßen öffent-
lichen Grunddienstbarkeit oder gar nur durch Verwaltungs-
'® Bl. f. adm. Pr. 1874 S. 374: Ein Gutsbesitzer will den ‚öffentlichen Weg
verlegen lassen und läßt sich den alten Weg von der Gemeinde vor Notar über-
eignen. Das Bezirksamt befiehlt die Offenhaltung und die Beschwerdeinstanz
billigt das; „denn die auf jener Grundfläche ruhende Verbindlichkeit, für öffent-
lichen Verkehr zu dienen, bleibt als Last auf derselben auch nach jenem Privat-
rechtsgeschäft, solange nicht die Aufhebung des öffentlichen Weges in einer von den
Verwaltungsbeliörden anerkannten Weise ausgesprochen ist.“ Es besteht also auch
keine Herausgabepflicht, wie der wirksam gewordene Eigentumsübergang sie doch
erzeugt haben würde (unten n. 4). Das ganze Privatrechtsgeschäft könnte gültig
sein nur in der Weise, daß es an die aufschiebende Bedingung der vorzunehmen-
den Einziehung geknüpft gedacht wird. — R. Lewy, Öffentl. Sachen in Gemein-
gebrauch $. 91, möchte den Fall so auslegen, daß die Gemeinde es für gut be-
funden habe, „ihr öffentliches Eigentum bereits in eine öffentliche Dienstbarkeit
zu verwandeln“. Das war aber ersichtlich nicht beabsichtigt; was hätte es auch
dem Gutsbesitzer geholfen? Er hätte nachher erst noch einmal einen zweiten
Notariatsakt machen müssen, um auch die Dienstbarkeit zu beseitigen. Die
„Last“, von welcher das Bezirksamt redet, ist doch offenbar nichts anderes als
die auch jetzt noch verbreitete Bezeichnung des öffentlichen Eigentums; vgl. oben
$ 35 Note 25. Lewy, der sonst die Lehre vom öffentlichen Eigentum mit viel
Verständnis behandelt, findet hierin sogar den Beweis, daß öffentliches Eigentum
jederzeit in eine Grunddienstbarkeit verwandelt werden könne, in Abweichung von
dem Grundsatze, den auch er anerkennt, daß die Rechtsstellung des Herrn der
Öffentlichen Sache auf privatrechtlichem Wege keine Beeinträchtigung erleiden
an. Das scheint mir eine sehr unpraktische Idee zu sein.