Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

130 Das öffentliche Sachenrecht. 
punkte zur Geltung, welche, wie wir vorhin gesehen haben, auch 
eine Besitzklage gegen die von der Verwaltung behauptete Öffent- 
liche Sache ausschließen ®®. 
Damit ist keineswegs gesagt, daß eine Herausgabepflicht über- 
haupt nicht besteht. Einer einseitig zivilrechtlichen und zivil- 
prozessualen Auffassung wird.das so vorkommen. Aber auch die 
öffentliche Verwaltung ist Hüterin der Rechtsordnung und ihre 
Behörde berufen, dafür zu sorgen, daß Recht Recht bleibe. Das 
für sie maßgebende Recht hier ist aber der verfassungsmäßige 
Vorbehalt des Gesetzes, der unermächtigte Eingriffe in das Privat- 
eigentum verbietet und ihr die Wiedergutmachung vorschreibt, 
wenn es doch geschah. Nur wird sie diese Aufgabe vereinbaren 
müssen mit der anderen, daß auch dem öffentlichen Zweck und 
dem Wohl des Gemeinwesens sein Recht werde; auch das ist 
Rechtsstandpunkt für sie. Insofern bedeutet die Unangreifbarkeit 
des Besitzes der Öffentlichen Sache für die Justiz nur eine einst- 
weilige Hemmung der Herausgabepflicht, bis der Ausweg gefunden 
sein wird. Der Erfüllung dieser Pflicht dauernd oder schlechthin 
sich zu weigern, quia possideo, wäre Rechtswidrigkeit, gegen welche 
vorgegangen werden müßte mit den Mitteln, welche zur Anfechtung 
derartiger Verwaltungsmaßregeln gegeben sind, unter Umständen 
auch mit Inanspruchnahme persönlicher Verantwortlichkeit der 
handelnden Beamten ®®, 
% Eingehende Erörterungen von Luthardt in Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 366 ff. 
In dem Rechtsfalle, der in Arch. f. öff. R. XV S. 511 ff. besprochen wurde, hatte 
das Gericht die Reichseisenbahn zur Herausgabe zweier Streifen Landes quer über 
Balhingeleise und Bahnhof hinweg verurteilt. Die Erzwingung war offenbar nicht 
möglich: wie sollte der Gerichtsvollzieher es wagen, die Bahn nach Z.Pr.O. $ 885 
aus dem Besitze zu setzen! Das Gericht hatte allerdings vorsorglich unter ent- 
sprechender Auslegung der Bestimmungen des code civil über Nichterfüllung von 
Schuldverbindlichkeiten den Herausgabeanspruch in eine Entschädigungsforderung 
verwandelt. Ob mit Recht, kann bezweifelt werden. Nach B.G.B. wäre dieses 
Auskunftsmittel sicher ausgeschlossen. Was dem Gerichte vorschwebte, war eher 
eine Art Enteignungsentschädigung. Das fällt aber unter die Gesichtspunkte des 
unten $ 53 zu behandelnden Rechtsinstituts und geht uns hier nichts an. 
°° In diesem Sinne ist die oben $. 98 erwähnte Kraft des öffentlich- 
rechtlichen Besitzes recht zu verstehen. — Es besteht eine gewisse Geneigtheit, 
der durch das B.G.B. herbeigeführten Zerstörung aller bisherigen zivilrechtlichen 
Schutzvorkehrungen der öffentlichen Sachen (vgl. oben $ 35 Note 24) mit Leichtig- 
keit des Herzens ins Auge zu sehen. Der Hintergedanke ist: die Verwaltung werde 
gescheit genug sein und es sich tatsächlich nicht gefallen lassen, daß bürgerliches 
Recht und bürgerliches Gericht ihren wichtigen öffentlichen Sachen gegenüber die 
Folgerungen ziehen. So Goez, Verw.R.Pf. in Württ. 8. 572: „Am Festungswerk 
reichen die aus dem Privateigentum fließenden Befugnisse in Verbindung mit der
	        
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