132 Das öffentliche Sachenrecht.
Neben der Einziehung erwähnt man wohl noch als besonderen
Endigungsgrund den Fall, daß das Grundstück die erforder-
liche Beschaffenheit verliert. Allein bei denjenigen Sachen,
deren Geeignetheit für den öffentlichen Zweck auf künstlicher Her-
richtung und Instandhaltung beruht — und das sind die meisten —,
würde es sehr bedenklich sein, jede Vernachlässigung und Ver-
wahrlosung immer schon als Grund ihres Austrittes aus dem Be-
reiche des öffentlichen Rechts gelten zu lassen. Es wäre auch
gar nicht richtig gedacht, so zu verfahren: schlechte Verwaltung
ist immer noch Verwaltung. Die Tatsache, daß der Weg, das
Festungswerk usw. in Unstand gekommen ist, wird deshalb richtiger
nur soweit hier bedeutsam werden, als daraus der andere Endigungs-
grund, die Einziehung, sich ergibt, wofür ja dieser Zustand eine
hinreichende Vermutung begründen mag. Wir sehen also darin
nur eine stillschweigende Einziehung neben der förm-
lichen, welche die Regel bildet ®°.
Anders scheint es zu stehen bei den natürlichen öffent-
lichen Sachen. Hier möchte man jedenfalls eine Verschiebung
der Grenzen annehmen unmittelbar durch Veränderung der Be-
schaffenheit: das freiwerdende Gelände bei Änderung dee Fluß-
laufes, des Meeresstrandes, des Seeufers besitzt nicht mehr die
Merkmale der öffentlichen Sache. Aber auch der ganze versandete
Fluß, der nicht mehr schiffbar ist, sollte aufhören, eine solche zu
sein‘. Der äußerliche Tatbestand würde also hier wirken
ohne alle Willensauslegung. Das ist wohl richtiger, als auch hier
an eine stillschweigende Einziehung und Aufgabe der öffentlichen
Sache zu denken. Wir erhalten dadurch ein Seitenstück zu der
Art, wie auch die Entstehung dieser öffentlichen Sachen ihre
Soon der Eigenschaft als Landstraße“: O.V.G. 4. Febr. 1901 (Entsch. XXXIX
Die Einziehung hat allerdings wichtige Folgen für die Einzelnen, die an der
öffentlichen Sache, Straße, Brücke beteiligt sind. Daher schreibt das Gesetz außer
der Genehmigung einer höheren Stelle auch wohl ein bestimmtes Verfahren vor,
in welchem Einwendungen vorgebracht werden können. So Pr. Zust.Ges. v. 1. Ang.
1883 $ 57; Sächs. Ges. v. 2. Jan. 1871 $ 14. Dann kann die Einziehung recht-
mäßig nur nach Beobachtung dieser Formen geschehen: O.V.G. 9, Mai 1896
(Entsch. XXX 8.226). Die Natur des Rechtsvorganges selbst wird dadurch keine
® Eine stillschweigende Einziehung ergibt sich namentlich leicht bei der
Wegeverlegung: mit der Ingebrauchnahme des neuen Straßenstückes rechtfertigt
sich von selbst der Schluß, daß das alte Stück eingezogen sei: O.V.G. 11. Dez.
1895 (Entsch. XXIX S. 211); Sächs. 0.V G. 20. Juni 1908 (Jabrb. XII S. 323).
“ 0.V.G. 5. Jan. 1898 (Entsch. XXX S, 301).