$ 37. Der Gemeingebrauch. 143
II. Gemeingebrauch ist die in die Freiheit des Einzelnen ge-
stellte bestimmungsmäßige Benutzung der solchem Dienste ge-
widmeten Öffentlichen Sachen.
Der Inhalt des Gemeingebrauchs ergibt sich demnach in
erster Linie aus dem Zweck der zu benutzenden Sache, für welchen
sie zur Benutzung steht. Dieser wird erkennbar durch die äußer-
liche Beschaffenheit, in welcher sie erscheint und unterhalten
wird. Dazu kommen ausdrückliche Erklärungen der öffent-
lichen Gewalt: Rechtsvorschriften können versuchen, das Nähere
zu bestimmen; auch der Herr der öffentlichen Sache kann seiner
Widmung genauere Bezeichnungen des Zweckes mitgeben.
Alles das würde nicht ausreichen, um den Inhalt des Gemein-
gebrauchs für seine Ausübung und für die obrigkeitliche Hand-
habung seines Rechts mit der nötigen Bestimmtheit zu versehen. Die
Beschaffenheit der Sache läßt natürlich ein weites Spiel; die aus-
drücklichen Erklärungen der Gesetze und anderen obrigkeitlichen
Vorschriften aber sind hier dazu verurteilt, Stückwerk zu bleiben; sie
kommen nie über die Hervorhebung einzelner wichtiger Beispiele
als solcher zustehen, ohne zureichenden Grund ausgeschlossen wird“, ist das Nicht-
anerkennung der Persönlichkeit und als solche Rechtsverletzung. „Es gehört da-
hin der Gebrauch der öffentlichen Wege, des öffentlichen Wassers usw.“ Geschieht
der Ausschluß des Einzelnen durch Verfügung der Verwaltungsbehörde, so ist das
eine Verletzung seiner Persönlichkeit, „ein rechtlich unbegründeter Eingriff in ein
subjektives Recht“. Die Freiheit nach dieser zutreffenden Schilderung besteht
also gegenüber jedermann, nicht bloß gegenüber der Verwaltung. Wenn sie bei
Sarwey zuletzt doch wieder als subjektives Recht bezeichnet wird, so ist das
offenbar in sehr uneigentlichem Sinne gemeint. — So etwas Uneigentliches ist ja
auch das am eifrigsten von Kohler vertretene „Individualrecht“; ganz folgerichtig
rechnet er denn auch den Gemeingebrauch darunter: Autorrecht S. 130 u. 133. —
Sehr bezeichnend ist auch, daß man häufig, um nicht zu sagen, daß der Gemein-
gebrauch ein richtiges Recht sei, ausweicht und ihn einen „Anspruch“ oder eine
„Befugnis“ öffentlichrechtlicher Art nennt. Daran merkt der Zivilist so-
fort, daß es mit diesem Rechte doch nicht so ganz in Ordnung sei. So Bl. £.
adm. Pr. 1870 S. 337: „kein Privatrecht, sondern ein verwaltungsrechtlicher An-
spruch“; ebenda 1874 S. 43: „kein klagbares Privatrecht, sondern bloß (!) eine
administrative Befugnis“. R.G. 23. Febr. 1880 (Entsch. I S. 366): „eine öffentlich-
rechtliche Befugnis“; 23. Juni 1900 (Entsch. XLVI S. 297): „öffentlichrechtliche
Befugnis“. Jellinek, in Verw.Arch. V S. 311, hält mir vor: „Den Anspruch auf
den Gemeingebrauch führt er zurück auf ein dem Menschen als solchem zustehen-
des Recht... Dieses Recht unterscheidet sich aber in nichts von jedem der
von Mayer verworfenen Grundrechte.“ Letzteres ist allerdings auch meine Meinung.
Die sogenannten Freiheitsrechte halte ich für keine Rechte im richtigen Sinne
(oben Bd. IS. 110 £), und eben deshalb gehen auch meine von Jellinek an-
gezogenen Ausführungen (Bd. II S. 116 der 1. Aufl.) in Wahrheit dahin, daß ein
Recht auf den Gemeingebrauch nicht bestehe.