144 Das öffentliche Sachenrecht.
hinaus. Das bat auch seinen guten Grund. Ist das Recht des Gemein-
gebrauchs nichts anderes als ein Stück der Freiheit des Menschen
im Staate, so teilt es mit diesem Begriff die Eigenschaft, abhängig
zu sein in seinem Umfang von Sitte und Gewöhnung. Freiheit ist, was
die herrschende Meinung an diesem Ort und zu dieser Zeit dafür
hält. Ausder Übung allein ist das schließlich zu erkennen: Übung
der Benutzenden, die alle, sowie sie in die Lage kommen, un-
bedenklich zu solcher Gebrauchsart greifen, anderer sich regel-
mäßig enthalten, auch wo sie nahe läge; Übung der Verwaltungs-
behörden, die jenes geschehen lassen und diesem wehren; Übung
auch der Gerichte, die auf solche Weise bei Handhabung der auf
Mißbrauch gesetzten Strafen ihre unzulänglichen Rechtsnormen zu
ergänzen wissen "9,
Das ist kein Gewohnheitsrecht. Mit diesem Ersatzmittel juri-
stischen Denkens haben wir auch hier wieder nichts zu tun. Es
ist lediglich eine Entfaltung des dem Gemeingebrauch zugrunde
liegenden Freiheitsbegriffes; dieser ist nachzugehen und ihrer Be-
obachtung das geltende Recht zu entnehmen.
Sein Formenreichtum spottet allerdings jeder erschöpfenden
Aufzählung. Wenn wir hier Einzelheiten geben, so geschieht es
nur, um das ganze Rechtsinstitut anschaulicher zu machen.
— Den weitaus wichtigsten Gegenstand des Gemeingebrauchs
bilden die öffentlichen Wege. Sie sind selbst unter sich nicht
gleichartig. Es gibt Wege für alles: Landstraßen z. B. Es gibt
Wege mit beschränktem Zwecke: Fußpfade, Reitwege, Radfahr-
wege, bald auch Kraftwagenstraßen. Es gibt zusammengesetzte
Wege: Fahrstraße in der Mitte, links und rechts Bürgersteig, da-
zwischen vielleicht noch ein Reitweg oder ein Radfahrweg. Auch
der beschränkte Zweck bedeutet noch Gemeingebrauch. Aber nur
bei den allgemeinen Straßen, Landstraßen, Dorf- und städtischen
Straßen mit oder ohne Bürgersteig bekundet er seine ganze Fülle.
Den Gemeingebrauch an Landstraßen scheint A.L.R. II, 15
$ 7 zusammenfassen zu wollen in der Bestimmung, daß sie jedem
verstattet sind „zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen“.
Wir würden uns aber schwer beengt fühlen, wenn die ganze Poesie
der Landstraße in diesen Rahmen gezwängt werden müßte. Am
” Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Abgrenzung des Gebietes der
Freiheit gegenüber der allgemeinen Sicherheits- und Ordnungspolizei, wo ebenfalls
Sitte und Gewöhnung ihre Rolle spielen. Vgl. oben Bd. IS. 225 ff. Auch hier
steht Ja schließlich die im Gemeingebrauch erscheinende Freiheit der Polizei der
öffentlichen Sache gegenüber.