$ 39. Verleihung besonderer Nutzungen. 197
Verwaltungsaktes, den er voraussetzt; er stellt das rechtliche
Nichts wieder her, das vor diesem bestand. Immerhin ist die
Verwandtschaft mit der Enteignung so stark, daß das Gesetz
möglicherweise für die Vornahme des Widerrufs die Anwendung
ihrer Formen vorschreibt.
Die Hauptanwendungsfälle bieten die öffentlichen Flüsse ®° und
die Straßen®”, Hier sind alle Nutzungsrechte den Erfordernissen
des Verkehrs untergeordnet. Andere Beispiele liefert häufig auch
die Neuordnung der Kirchstühle, wobei möglicherweise verliehene
Rechte ausweichen müssen ®®,
In allen diesen Fällen, tatsächliche Beeinträchtigung oder
förmliche Rechtsentziehung, ist dem betroffenen Nutzungsberechtigten
Entschädigung geschuldet. Auch hierin zeigt sich die Verwandt-
schaft mit der Enteignung. Denn der Rechtsgrund für diese Ent-
schädigung ist hier wie dort kein anderer als die Billigkeitsregel,
welche einen Ausgleich forderte für das besondere Opfer, welches
dem Einzelnen von der öffentlichen Verwaltung zugemutet werden
ınußte für das Gemeinwohl ®,
® Die neuen Wasgergesetze pflegen diesen Widerruf ausdrücklich vor-
zusehen; Gew.Ord. $ 51 liefert das Vorbild: Sächs. Wasserges. $ 28, Preuß.
Wasserges. $ 84, Württ. Wasserges. Art. 45, Bad. Wasserges. $ 47. — Auch ohne
solches Gesetz wurde früher schon so verfahren; die Strompolizei gab genügende
Grundlage: C.C.H. 9. Juni 1866 (Just.Min.Bl. S. 222). — Das Bayr. Wasserges.
Art. 43 Abs. 3 gestattet die Entziehung oder Schmälerung der unwiderruflich ver-
liehenen Nutzung „nur im Wege der Zwangsenteignung“. Eymann, Kom. I
8. 438 Note 12, bemerkt dazu richtig: dies sei ein Fall der Zwangsenteignung
eines „Öffentlichen Rechts“. Dem steht aber als wesensgleich zur Seite die ver-
frühte Entziehung eines widerruflich erteilten Rechts nach Art. 62 Abs. 2: sie ge-
schieht nicht in Form der Enteignung.
9’ So in dem Falle der Berliner Schlächteracharren (vgl. oben Note 10),
welche von der Straßenpolizeibehörde eingeschränkt wurden: O.Tr. 8. Febr. 1856
(Str. XIX S. 336).
*®® Hier wird der Eingriff wieder als „polizeiliche Verfügung“ aufgefaßt:
C.CH. 12. Okt. 1872 (9.M.Bl. S. 315); O.V.G. 10. Dez. 1884 (Reger V S. 388).
Die bürgerlichen Gerichte suchen die Verfügungsmacht der Verwaltung gern damit
zu erklären, daß dem Kirchstuhlberechtigten nur eine Forderung auf Leistung
eines solchen Platzes zustehe: O.Tr. 25. Mai 1877 (Str. IC S. 173); R.G. 19. Nov.
1889 (Entsch. XXIV S. 174). Damit wird aber die sonst anerkannte dingliche
Natur des Kirchstuhlrechts verleugnet.
® So die oben Note 36 angeführten wassergesetzlichen Bestimmungen. Der
Umweg über das Enteignungsverfahren, welchen Bayr. Wasserges. Art. 43 Abs. 3
vorschreibt, wäre nicht notwendig, um den Entschädigungsanspruch zu gewähren
und zu sichern. Jene besonderen gesetzlichen Bestimmungen sind nur auch insofern
notwendig, als der Billigkeitsgrundsatz, dem sie dienen, keinen Ausdruck in einer
allgemeinen Rechtsregel gefunden hat. Möglicherweise verhelfen aber die Gerichte