306 Das öffentliche Sachenrecht.
werden wir auch für die hier zu erörternden Dienstbarkeiten in
Anspruch nehmen. Gleichwohl sind es sehr verschiedene Dinge;
wir müssen uns darein finden, zweierlei Arten öffentlicher
Dienstbarkeiten zu besitzen.
Die Dienstbarkeit der öffentlichen Sache zeichnet
sich dadurch aus, daß sie gleichgültig ist gegen die Art der Be-
gründung des Rechts selbst: das mag Enteignung sein oder bürger-
licher Vertrag; die Widmung der Sache führt das irgendwie ent-
standene Recht in das öffentlichrechtliche Gebiet hinüber.
Die Dienstbarkeit, mit der wir hier zu tun haben, die auf-
erlegte Dienstbarkeit,istzuständlicherweise öffentlichrechtlich
wie jene; sie ist aber auch in ihrem Entstehungsgrund von vorn-
herein diesem Rechtsgebiet angehörig. Sie bedeutet einen
öffentlichrechtlicherweise auferlegten döffentlich-
rechtlichen Rechtszustand für das betroffene Grundstück.
Der Unterschied der beiden Arten wird schon dadurch ver-
deutlicht, daß jeder, der dem Gedanken eines öffentlichen Eigentums
noch unzugänglich ist, auch für die Dienstbarkeit der öffentlichen
Sache kein Verständnis haben wird; für sehr viele Juristen gibt
es das einfach nicht. Unsere auferlegte öffentlichrechtliche Dienst-
barkeit dagegen erzwingt sich die Anerkennung überall aus dem
einfachen Grunde, weil hier zivilrechtliche Konstruktionen von
vornherein überhaupt nicht möglich sind.
.Ein anderer, für das innere Wesen der beiden Rechtsinstitute
sehr wichtiger Gegensatz ergibt sich aus dem verschiedenen Ver-
hältnisse der belasteten Sache zu dem öffentlichen Unternehmen,
mit dem sie vermöge der öffentlichen Dienstbarkeit in Verbindung
gebracht ist. Bei der Dienstbarkeit der öffentlichen Sache stellt
sie selbst das öffentliche Unternehmen dar, den öffent-
lichen Weg, den städtischen Abzugskanal. Bei der auferlegten
öffentlichen Dienstbarkeit ist das nicht so: das Öffentliche Unter-
nehmen ist außerhalb ihrer gedacht und wirkt von außen auf
sie ein, um sie für sich zu belasten. Das gibt jedesmal ein ganz
verschiedenes Rechtsbild?.
® Zugunsten des Öffentlichen Unternehmens besteht also auch die auferlegte
Dienstbarkeit, folglich zugunsten des Unternehmers, des Staates also oder der
Gemeinde. Man mag hier, wie oben Bd. I S. 108 schon bemerkt, von einem
subjektiven Recht dieses Gemeinwesens sprechen (Recht der Rayonservitut z. B.),
ohne daß durch diese Bezeichnung viel gewonnen wäre. Da unser Rechtsinstitut
durch seinen Namen den Vergleich mit dem entsprechenden Rechtsinstitut des
B.G.B. herausfordert, so möchte man fragen: ist es eine „Grunddienstbarkeit“ zu