Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

214 Das öffentliche Sachenrecht. 
fahrbar gewordenen Stellen der Straße das Fuhrwerk über das 
angrenzende Grundstück ausbiegen darf!*. Die öffentliche Dienst- 
barkeit, die das Gesetz auf die Ufergrundstücke legt, ist nur eine 
Hilfseinrichtung für den am Strome auszuübenden Gemeingebrauch. 
Ferner gehören hierher die vorübergehenden Be- 
nutzungen, welche Privatgrundstücken auferlegt werden können 
zugunsten öffentlicher Arbeiten, Straßenherstellung und -Ausbesse- 
rung, Eisenbahnbau, Brückenbau und dergleichen. Für solche 
öffentliche Unternehmungen bedarf es der Lagerplätze, Werkplätze, 
Zufuhrwege, Arbeiterwohnstätten, Gerüstaufstellungsräune. Die 
Verwaltung, soweit sie über das nötige Gelände nicht ohnehin 
verfügt, kann es sich verschaffen auf bürgerlichem Wege. Und 
zwar werden vor allem Mietverträge am Platze sein, weil das 
Bedürfnis und die Verwendung nur vorübergehend sind; mit 
Beendigung der Arbeiten ist es damit aus. Es kann aber die 
Befriedigung dieses Bedürfnisses nicht abhängig bleiben von dem 
guten Willen des anderen Vertragsteils und von seiner Bemessung 
der Gegenleistung. Enteignung würde das Ziel überschießen: 
der dauernde Eingriff in das Grundeigentum, den sie bedeutet, 
wäre zu scharf und zu kostspielig, Daher das Gesetz die Auf- 
erlegung solcher Benutzungsdienstbarkeiten gestattet als öffentlich- 
rechtlicher Seitenstücke der Miete !®, 
es, daß dieser Weg dem öffentlichen Verkehr allgemein dienen soll, sei es, 
daß er dieser bestimmten Art von öffentlichem Verkehr vorbehalten ist, wie 
der Reitweg, der Radfahrweg. Mit dem Fortschritt der Wasserbautätigkeit ver- 
lieren unsere Ströme mehr und mehr ihre urwüchsige Gestalt und werden weit- 
hin von Dämmen begleitet, die dem Staate ohnehin gehören und auf denen er 
dann auch seinen Leinpfad einrichtet. Das ist nicht unser Fall. Unser Leinpfad 
bedeutet „eine allgemeine öffentlichrechtliche Dienstbarkeit“ (Bl. f. adm. Prax. 1871 
$. 35), „eine Öffentlichrechtliche Berechtigung“, eine „dem Ufereigentümer auf- 
erlegte Duldung“ (Bayr. Oberst.G.H. 25. Nov. 1878 Samnl. VII S. 505). 
16 So der Postwagen nach Postges. v. 28. Okt. 1871 $ 17. Der Fall mag 
zugleich den Unterschied von auferlegter Dienstbarkeit und öffentlichrechtlicher 
Eigentumsbeschränkung anschaulich machen. Er gehört zur letzteren; vgl. unten 
$ 41 Note 16. Hier ist nicht das kenntlich gemachte Grundstück mit einer 
rechtlichen Belastung im voraus getroffen, die dann im Einzelfall nur ausgeübt 
wird; sondern eine dem Eigentum überhaupt anhängende Schwäche offenbart 
sich durch die tatsächliche Inanspruchnahme für den Zweck der öffentlichen 
Verwaltung, sobald der Notstand für sie an dieser oder jener Stelle zum Vor- 
schein kommt, ohne daß dem Grundstück eine besondere rechtliche Bestimmt- 
heit gegeben worden wäre. 
1 Vgl. oben Note 9. — Von der alten zivilrechtlichen Forderung einer 
causa perpetua (B.G.B. $ 1019; Prot. d. II. Les. III S. 308) ist also hier keine 
Rede. Mit der zivilrechtlichen Grunddienstbarkeit können wir unser Rechts-
	        
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