299 Das öffentliche Sachenrecht.
entspricht jetzt dieser letzteren Rechtsgestalt, was wir hier vor uns
haben und deshalb die öffentlichrechtliche Eigentums-
beschränkung nennen ?,
Sie betrifft, wie die bürgerlichrechtliche, nur Grundstücke?®.
Sie bedeutet, wie diese, nur eine Wehrlosigkeit des Grundeigentums
gegenüber der Einwirkung: es gibt keinen Rechtss chutz
und ist keine Selbstverteidigung zulässig. Man darf den
Gegensatz zur Dienstbarkeit nicht so ausdrücken, daß diese auf
Duldung oder Unterlassung gehen kann, die Eigentums-
beschränkung nur auf Duldung: die letztere fordert auch eine
Unterlassung, indem sie die Selbstverteidigung ausschließt, und sie
fordert nicht schlechthin Duldung, sofern dem Eigentümer freisteht,
die tatsächlichen Voraussetzungen so zu gestalten, daß die Ein-
wirkung abgelenkt wird.
Sie beruht, wie diese, auf gewissen allgemeinanerkannten
Notwendigkeiten des geordneten menschlichen Zu-
sammenlebens: \
Die bürgerlichrechtliche Eigentumsbeschränkung hat zur Grund-
lage den einfachen Gedanken, daß in der Gesellschaft das Eigen-
tum selbst am meisten darunter litte, wenn jede Störung und
Beeinträchtigung von seiten des Nächsten durch Kampf ums Recht
zurückgewiesen werden dürfte.
2 Das deutsche Privatrecht war von jeher eine Zufluchtsstätte für allerlei, was
in den Pandekten keinen Platz fand. Noch jetzt gibt Gierke, D. Pr.R. II S. 407,
unter dem Titel „Offentliche Beschränkungen des Eigentums-
inhaltes“ öffentlichrechtliche Dienstbarkeiten (Rayonservituten S. 408), öffentlich-
rechtliche Eigentumsbeschränkungen (Truppenübungen S. 410), gemeine Lasten
(Quartierleistungspflicht S. 411), reichsrechtliche Verpflichtungen öffentlicher Unter-
nehmungen (Kriegsleistungspflichten der Eisenbahnverwaltungen S. 4ll),
baupolizeiliche Vorschriften (S. 411), polizeiliche Erlaubnisvorbehalte für gewerb-
liche Anlagen (S. 414), Mitbenutzungsrechte der öffentlichen Telegraphenunter-
nehmungen an öffentlichen Wegen (S. 414), polizeiliche Vorschriften zur Bekämp-
fung der Reblaus (S. 415), dazu noch Forst- und Bergpolizeiliches (S. 415). —
Man kann nicht mannigfaltiger sein; von all diesem gehört nur die Eigentums-
beschränkung zugunsten der Truppenübungen hierher.
® Ihering in Jahrb. f. Dogm. VI S. 63 ff.
* Es gibt keinen Rechtsschutz gegen die überfliegenden Kugeln des Militär-
schießplatzes (vgl. unten Note 13); aber der Grundbesitzer ist auch nicht ver-
pflichtet, diese Kugeln aufzunehmen, sondern kann ihnen durch Wall und Mauer
den Zutritt verwehren. Der Postwagen kann bei unfahrbarer Straße auf die an-
grenzenden Grundstücke ausbiegen, wenn das dienlich ist, die fahrbare Strecke
wieder zu gewinnen; aber der Eigentümer ist nicht gehindert, Gräben zu ziehen,
die solche Dienlichkeit ausschließen.