$ 42. Die öffentliche Dienstpflicht; Grundlagen. 255
dorther auch ein Schatten fällt auf die klare öffentlichrechtliche
Natur des Dienstverhältnisses des beamteten „Organträgers“. Den
Diese beiden Auffassungen sollten sich eigentlich gegenseitig ausschließen.
Tatsächlich laufen sie aber meist sehr unbefangen durcheinander, „durchdringen
sich gegenseitig“, wie es ordentliche juristische Begriffe nicht tun sollen. Vgl.
Regelsberger, Pand. 18. 322£.; Helfritz, Die Vertretung der Städte S. 29 ff.
Auch Jellinek, A. St.L. S. 540, stellt neben die vorhin angeführten Aussprüche
den entgegengesetzten: „Das Individuum, "dessen Wille als Verbandswille gilt, ist
als Verbandsorgan zu betrachten“.
Noch mehr! Wer es mit dem Bilde des Gliedes des menschlichen Körpers
ernsthafter meint, sieht auch im Organ noch einmal etwas dem Körper, dem es
dient, Gleichartiges, also eine Persönlichkeit. Und da baut sich dann die Sache
auf: unten der Beamte als natürliche Person, sein Amt, das Organ, hat eigene
„Organpersönlichkeit“, und darüber steht als Drittes die Verbandperson, der sie
dienen. So Gierke, Genossensch.Theorie S. 171—174; besonders scharf Affolter
in Annalen 1914 S. 888: „Die Organe sind sonach Rechtssubjekte ... Die Per-
sönlichkeit des Organs scheidet sich scharf von der bürgerlichen Persönlichkeit
des oder der Inhaber.“ Hier wird die Anschaulichkeit, durch welche sich das Bild
empfehlen konnte, schon stark beeinträchtigt.
Ganz geht sie verloren, wenn das Organ gar nicht mehr den natürlichen
Menschen aufweist, der der juristischen Person seinen Willen leiht, sondern selbst
eine schon gegebene juristische Person sein soll. So zählt R.G. 18. Jan. 1886
(Entsch. XV S. 236) zu den „Organen des Reichs“ auch die Reichsbank. Nach
l,oening, Verw.R. S. 10, bestehen die Organe des Staates nicht bloß aus Men-
schen, sondern auch aus Korporationen. Nach Hatschek, Rechtl. Stellung
des Fiskus S. 12f., wäre auch der Fiskus „Staatsorgan“. Nach Jellinek,
Subj. öff. Rechte S. 824, erscheinen unter Umständen im Völkerrecht „die Einzel-
staaten nicht sowohl als Individuen, denn als Organe der internationalen Gemein-
schaft selbst“. Ähnlich Affolter in Arch. f. öff. R. XX S. 353. Noch weitere
Ausblicke eröffnet es, wenn Gierke, Genossensch.Theorie S. 21, für den Staat
den Namen „Rechtsorgan“ und umgekehrt Stier-Somlo, in Verw.Arch. VI
S.276, für die Polizei, die er ganz richtig als „eine vom Staate ausgehende Ver-
waltungstätigkeit“ auffaßt, den Namen „staatliches Organ“ in Anspruch nimmt.
Tatsächlich begegnen wir hier allen Arten von Menschen und menschlichen
Einrichtungen, welche irgendwie dazu dienen, irgend etwas anderem auf dem Ge-
biete der öffentlichen Verwaltung die Tätigkeiten zu verschaffen, deren es bedarf.
Man nennt sie Organe, wenn es im Augenblicke nicht darauf ankommt, genauer
zu sagen, um was es sich dabei handelt. Es muß auch solche Ausdrücke geben;
nur darf man sie nicht überschätzen. Mit erfrischender Deutlichkeit hat das neuer-
dings zum Ausdruck gebracht Friedrichs in Verw.Arch. XXIII S. 9: „Die Be-
zugnahme auf das Organverhältnis ist und bleibt ein Bild, einem Vorhange gleich,
den man wegziehen muß, um die Wahrheit zu suchen. Das Bild selbst bietet
uns nichts.“
Wir werden allerdings unten 8 59 Note 2 einen ganz bestimmten Zusammen-
hang aufweisen, in welchem man mit dem Worte einen festen, kräftig ausgeprägten
Sinn verbinden will, wenn wir auch nicht in der Lage sein werden, davon Gebrauch
zu machen.