Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

2 Das öffentliche Sachenrecht. 
3. Es genügt nicht, daß das Unternehmen, welches das Privat- 
eigentum für sich verwendbar machen will, in der unter n. 1 und 
2 angegebenen Weise auf dem Gebiete öffentlicher Verwaltung sich 
bewege, also dem Gemeinwohl, dem öffentlichen Nutzen diene, oder 
ein anderer öftentlicher Zweck vorliege, den das Gesetz einem 
solchen Falle gleichstellt, sondern es muß auch dieser Öffentliche 
Zweck mit solcher Stärke zur Verwirklichung drängen, 
daß sie groß genug ist, die entgegenstehenden Rücksichten zu über- 
winden. Hier kommt vor allem die Rücksicht auf das Eigentum 
in Betracht, dessen Unversehrtheit der Staat grundsätzlich gewähr- 
leisten soll. Dazu kommen unter Umständen noch andere Be- 
denken, gerade auch vom Standpunkte des öffentlichen Wohles aus, 
dem der zu enteignende Grundbesitz auf seine Art irgendwie schon 
dient. Dem allen gegenüber muß das durchzuführende Unternehmen 
die überwiegende Nützlichkeit vorstellen, sonst ist die Enteignung 
nicht zuzulassen. Ob das aber der Fall ist, das ist unbedingt eine 
Frage des reinsten freien Ermessens®"., 
Unter Umständen liegt für die Stelle, die darüber zu "sprechen 
bat, die Sache so, daß tatsächlich die hier zu trefiende Entschließung 
schon vorweggenommen ist. Wenn es sich etwa um ein Unter- 
nehmen des Staates handelt, das von den höchsten Stellen in aller 
Form geprüft und beschlossen worden ist, um es ins Werk zu 
setzen allen Durchführungsschwierigkeiten zum Trotz, dann sinkt 
die Anerkennung der genügenden Stärke der öffentlichen Nützlich- 
keit in dem nun eingeleiteten Enteignungsverfahren auf eine bloße 
Form herab. Und ähnlich wird es sich verhalten, wenn für dieses 
Unternehmen, das seiner Natur nach der Enteignung bedarf, einem 
Privatunternehmer, einer Aktiengesellschaft z. B., von zuständiger 
erlegt werden. — Bei Beratung des Preuß. Ent.Ges. hat man eine Bestimmung auf- 
nehmen wollen, wonach wie nach dem Bayrischen Gesetze die Enteignung zulässig 
sein sollte „zur Sicherung der Kunstschätze und wissenschaftlichen Sammlungen 
des Staates vor Feuers- und anderer Gefahr“ (Eger, Ges. über d. Ent. I S. 21. 
Ob das unter die jetzige allgemeine Formel fällt: „für ein Unternehmen, dessen 
Ausführung die Enteignung erfordert“, kann bezweifelt werden; die Praxis scheint 
es anzunehmen (Bähr u. Langerhans, Ent.Ges. S. 10), — Ein sehr anschau- 
liches Beispiel bietet namentlich auch das Franz. Ges. v. 13. April 1850 über 
gesundheitsgefährliche Wohnungen; Theorie d. Franz. V.R. S. 237. 
#° Bayr. V.G. v. 10. März 1905 (Entsch. XXVI S. 234); Eger, Ges. über d. 
Ent. IS. 16; Gierke, D.Pr.R. II S. 473 f. („ein Werturteil“); Layer, Prinz. 
d. Ent. S. 303, 304, 313. — Gerade deshalb war es für das Reich in den oben 
Note 22 hervorgehobenen Fällen wichtig, sich für seine Unternehmungen von der 
Feststellung des Enteignungsfalles durch die Landesbehörden unabhängig zu 
machen.
	        
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