Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

390 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Für die Frage der Rechtmäßigkeit dem Befehlsempfänger 
gegenüber ist aber allein entscheidend, ob der Befehl, der ja nichts 
anderes sein soll als eine angemessene Entfaltung der Dienstpflicht, 
zum Nachteil des Empfängers ihm etwas zumutet, was sie unter 
den gegebenen Umständen nicht rechtfertigen würde. Die Nach- 
teile können in übermäßigen Anstrengungen, Zeitaufwänden, 
Kosten und Auslagen, Gefahren, rechtlichen und moralischen 
Verantwortlichkeiten bestehen. Was zu viel ist, ist Unrecht gegen 
den Dienstpflichtigen und nimmt dem Dienstbefehl den Rechtsboden "*. 
Aber wann ist das der Fall? Wessen Meinung entscheidet 
darüber? Es ist klar, daß es nicht einfach dabei bleiben kann, 
daß der Untergebene überall den Gehorsam verweigert, wo er den 
Dienstbefehl nicht mehr für rechtmäßig oder zweckdienlich hält. 
Die Frage nach dem Prüfungsrecht des Untergebenen 
erheischt eine Lösung'®, | 
nach außen wirkt, vermöge des Amtes vor allem, tritt es selbst in mancherlei 
Rechtsbeziehungen, tritt in den Verkehr und nimmt teil an seinem Getriebe. Das 
darf uns nicht irremachen an dem eigentlichen Gegenstande unserer Untersuchung, 
der nichts anderes ist und bleibt als das Rechtsverhältnis zwischen dem Gemein- 
wesen und dem in seinen Dienst Gestellten, das Dienstpflichtverhältnis. Sehr 
störend hat ja hier die unten Note 22 zu betrachtende politische Tendenz gewirkt. 
Noch mehr vielleicht auch hier wieder die Organlehre, wo der Dienstpflichtige 
nicht mehr weiß, ist er noch Mensch und Rechtssubjekt oder nur eine Aus- 
schwitzung seines großen Dienstherrn; vgl. oben $ 42 Note 18 und unten $ 59 
Note 12. 
"? Wir können den Kreis der in Betracht kommenden Verletzungen des Unter- 
gebenen sehr weit ziehen, insbesondere auch jede Art von seelischer Pein, Gewissens- 
skrupel und sachverständigem Bedenken berücksichtigen, wie z. B. die Zumutung, 
eine Amtshandlung vorzunehmen, die er für unrichtig, ungesetzlich oder auch nur 
schädlich oder ungeziemend hält. Wir können das deshalb, weil die durch die 
Zweckmäßigkeit geforderten Schranken jetzt sogleich aufgewiesen werden sollen. 
Unter diesem Vorbehalt ist auch eine Gegenvorstellung und eine Beschwerde 
gegen einen empfangenen Dienstbefehl nicht ausgeschlossen. Ein Beschwerde- 
recht versteht sich allerdings nicht von selbst und wird nicht leicht anerkannt 
sein (vgl. oben Bd. I S. 127£.). Auch ist zu beachten, daß der Beamte nur gegen 
einen ihn treffenden Dienstbefehl an Beschwerde denken könnte, nicht gegen eine 
nach außen, für die Beteiligten ergangene Anordnung, die er ja allerdings zu voll- 
ziehen hätte; diese ist nicht über ihn ergangen; vgl. oben Bd.I S. 129 Note 9. 
Das gilt z. B. auch von gerichtlicher Anweisung an den Standesbeamten eine 
Amtshandlung vorzunehmen, nach Pers.Std.Ges. $ 11 Abs. 3: obwohl sich das 
Ant „Anweisung“ nennt, ist es doch kein Dienstbefehl, sondern eine für die „Be- 
teiligten“ ergangene Entscheidung in ihrer Sache und geht deshalb den Beamten 
persönlich nichts an; Sartorius, Kom. z. Pers.Std.Ges. S. 87. 
18 Soweit kein Prüfungsrecht besteht, dieGehors amspflicht also schlecht- 
hin begründet ist, deckt auch der Befehl zu ungesetzlichen Handlungen den Unter-
	        
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