3936 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
außen betrachtet wird und eines Schutzes der Untertanen
gegen Ungesetzlichkeiten von seiten des Vorgesetzten.
Gegenstand der Prüfung ist also auch hier immer noch die obrig-
keitliche Maßregel, die dieser über den Untertanen verhängt ®*.
Nur wird sie jetzt nicht mehr vorgenommen als umfassende „Rechts-
kontrolle“, etwa im Sinne einer Revision, sondern beschränkt sich
auf gröbere Verstöße, etwa im Sinne eines Rekurses wegen Macht-
überschreitung. Aber auch in diesen engeren Grenzen kann die
Meinung des Untergebenen über die rechtliche Zulässigkeit der
Verfügung seines Vorgesetzten der dieses letzteren selbst ordnungs-
mäßig nicht vorgehen und auch hierfür gilt, daß er mangels der
Kenntnis des Materials zu einer richtigen Prüfung meist gar nicht
imstande sein wird (vgl. oben Note 23).
Die ganze Frage ist durch das Hereinspielen der politischen
Tendenz in sachwidriger Weise verschoben worden: für die
Gehorsamspflicht des Untergebenen kommt es nach der Natur der
Sache auf sein Verhältnis zu dem Dienstherrn an, nicht auf das
Verhältnis des Dienstherrn zu dem Dritten, auf den gewirkt werden
soll. Für den Polizeistaat, der die rechtliche Kraft und Bedeutung
des Verwaltungsaktes, der auf den Dritten wirkt, nicht kannte,
floß das alles mit dem Dienstbefehl, der nur den Untergebenen an-
geht, zu einer unförmlichen Masse zusammen ?°. Wir aber unter-
scheiden. Die polizeiliche Verfügung über den Hausbesitzer,
daß sein Haus abgerissen werden solle, und der gleichzeitig an den
Schutzmann ergehende Dienstbefehl, den Handwerksleuten dabei
® Es ist leicht zu beobachten, wie die Vertreter der hier besprochenen
Lehre von dem Dienstbefehl, um den es sich eigentlich handelt, ganz unbefangen
auf die nach außen ergehende Anordnung hinübergleiten, deren Rechtmäßigkeit
nun geprüft werden soll. Seydel, Bayr. St.R. II S. 223: „Es ist Dienstbefehl
nur dann, wenn der Befehlende zuständig ist, die Anordnung zu erlassen“. Die
Note 12 fügt hinzu „örtlich und sachlich“. Der Untergebene aber muß zuständig
sein, „die Anordnung zu vollziehen“. Laband, St.R. IS. 463 Note 1, führt unter
den zu prüfenden Befehlen der vorgesetzten Behörde auch an die „Erkennt-
nisse“, bei welchen die Formen der Urteilsausfertigung zu beobachten sind.
Das sind doch sicher keine Dienstbefehle. Die Entscheidung des O.Tr. v. 19. Jan.
1872, auf welche er S. 464 sich beruft, spricht'von einem Befehl, „um dessen
Vollstreckung es sich handelt“, und bei dem nicht zu untersuchen ist, „ob
die vorgesetzte Behörde von ihren Amtsbef ugnissen einen angemessenen Ge-
brauch gemacht“. — Zuständigkeit, Form der Willenserklärung, Vollstreckung,
Amtsbefugnisse, alles das zielt ja auf die Anordnung für den Untertanen, zu deren
Durchführung dem Untergebenen der Dienstbefehl erteilt wird.
30 Für die auch jetzt noch bestehende Unfähigkeit, hier zu unterscheiden,
ein paar Beispiele oben Bd. I S. 315 Note 6.