$ 45. Die Dienstgewalt. 937
bringt die Möglichkeit von obrigkeitlichen Vorhalten und Zurecht-
weisungen mit sich, sowie von strengerer Ausnutzung der Dienst-
befehlsgewalt gegen den Saumseligen, um ihm den Ernst der Sache
zum Bewußtsein zu bringen. Denkbar wäre es auch, den Beamten
bei der Anstellung noch weiteren Benachteiligungen, namentlich zu
verhängenden Geldbußen und Gehaltsabzügen für gewisse Fälle sich
unterwerfen zu lassen.
Da kommt nun die Beamtengesetzgebung darüber wesentlich
zu dem Zwecke, dem schwächeren Teil, dem Untergebenen, eine
gesichertere Rechtsstellung zu verschaffen. Sie beschränkt die
Entlassung und Versetzung, regelt Geld- und Freiheitsstrafen nach
Maß und Anwendbarkeit überhaupt, so daß man dergleichen nicht
mehr besonders ausbedingen braucht, aber auch darüber hinaus
nicht ausbedingen darf, und läßt nur die nicht so geregelten natür-
lichen Machtmittel daneben bestehen.
Das Gesetz tritt also hier mehr ordnend und ergänzend
hinzu, als daß es die ganze Strafgewalt von Haus aus allein schüfe
und trüge®®,
Diese Besonderheit der Disziplinarstrafe tritt noch deutlicher
hervor im Heerdienstverhältnis. Die überwältigende Macht
des Dienstbefehls, die ihm eigen ist, gibt dem Dienstherrn von
selbst die ausgedehnteste Möglichkeit, allerlei nachteilige Behandlung
zuzufügen, die als Disziplinarstrafmittel verwendbar ist. Es stebt
nichts im Wege, zur Besserung des Dienstes dem Soldaten, der
seine Pflicht verletzt hat, auch einmal den Befehl zu erteilen, daß
er ein paar Tage das Zimmer hüte oder in Arrest sich begebe oder
Strafexerzieren, Strafwache halte, überzählige Kniebeugen mache,
über den Topp entere. Auch die Duldung der etwa dazu gehörigen
Gewaltmaßregeln liegt noch im Rahmen der weitgehenden militäri-
schen Gehorsamspflicht. Die Verfügung über die dienstliche Stellung,
desgleichen über die Löhnung, auf die der Soldat einen Rechts-
anspruch nicht hat, geben dem Vorgesetzten weitere Mittel an die
Hand. Gewisse Dienstpflichtverletzungen werden als so schwer
angesehen, daß sie in Verletzungen der Öffentlichen Ordnung über-
gehen sollen, die durch rechtssatzmäßige Strafdrohung unbedingt
mißbilligt sind; von diesen hat das Gesetz zu handeln, hier das
°® Es hat ein Reichsbeamtenrecht gegeben und eıne Disziplinarstrafgewalt
über Reichsbeamte vor dem Reichsbeamtengesetz; vgl. auch oben Bd. IS. 100
Note 12. Die ganze machtvolle Dienststrafgewalt über das französische Verwaltungs-
beamtentum baut sich auf, ohne Disziplinargesetz, mit den Mitteln, die das Dienst-
verbältnis von selbst bietet: Theorie d. franz. Verw.R. S. 811.
Binding, Handbuch. VI.2: Otto Mayer, Verwaltungsrecht. II. 2. Aufl. 22