$ 45. Die Dienstgewalt. 343
Neues mit herein, wodurch der Fall erst seine volle Würdigung
und der Spruch seine sachliche Ergänzung erhält 5%.
— Die Regel ist umgekehrt, daß der Ausspruch des Disziplinar-
gerichts den Schluß bildet. Aber es wird seinerseits nur in
Bewegung gesetzt durch einen Autrag der vorgesetzten Dienst-
behörde. Das Verfahren gewinnt dann wieder von der anderen
Seite her eine Verwandtschaft mit der gemeinen Strafrechtspflege,
sofern diese Dienstbehörde die Stelie des Staatsanwalts zu über-
nehmen scheint. Allein während der Staatsanwalt verpflichtet ist
zu verfolgen, wo immer eine Verurteilung in Aussicht genommen
werden kann, entschließt sich die Dienstbehörde dazu nach freiem
Ermessen der Zweckmäßigkeiten des Dienstes, mit welchen sie
dieses andere Stück des Einschreitens der Disziplinargewalt vor-
wegnimmt 58.
62 Auf solche Weise wird im Disziplinarverfahren gegen Öftiziere wegen
„Verletzung der Pflicht des achtungswürdigen Verhaltens® die Anordnung des
Kontingentsherrn vorbereitet durch das Ehrengericht (Verord. v. 2. Mai 1874
$$ 51 u. 59; ebenso die Neufassung v. 15. Juli 1910. Laband, St.R. IV S. 196:
„Eine Strafgewalt steht den Ehrengerichten nicht zu; dieselben haben lediglich
einen Wahrspruch darüber abzugeben, ob der Angeschuldigte die Standesehre
gefährdet oder verletzt oder unter erschwerenden Umständen verletzt habe, und
hieran den Antrag zu knüpfen, dem Angeschuldigten eine Warnung zu erteilen,
ihn mit schlichtem Abschied zu entlassen oder ihn aus dem Offiziersstande zu ent-
fernen.“ Es liegt in diesem „Wahrspruch abgeben“ etwas von der Stellung der
Geschworenen; nur haben diese den gebundenen Richter hinter sich, die Ehren-
gerichte den nach freiem Ermessen verfügenden Herrn der Dienstgewalt. Kin
bloßes „Gutachten“ (Dietz, Die Ehrengerichtsverordnungen S..34 Note 2; ders.
in Wörterb. d. St. u. Verw.R. II S. 368) ist der Spruch auch nicht; er wird mit
der Entscheidung des Kontingentsherrn dem Angeschuldigten bekanntgemacht
(A.KO. v. 15. Juli 1910 Ziff. 52). — Die im Preuß. Diszipl.Ges. $ 47 dem König
vorbehaltene Bestätigung der rechtskräftigen Entscheidung der Disziplinarbehörde
ist anderer Natur; sie bedeutet ein Hemmnis nicht bloß für die „Ausführung“ der
Entscheidung (v. Rheinbaben, Preuß. Diszipl.Ges. S. 302 f.), sondern für ihre
Gültigkeit. Ist die Bestätigung erteilt, das Hemmnis beseitigt, so ist es die rechts-
kräftige Entscheidung, was wirkt. Der ehrengerichtliche Spruch dagegen kann so
wenig nach außen wirken wie der Wahrspruch der Geschworenen.
53 Preuß. Diszipl.Ges. v. 21. Juli 1852 33 23 u. 24: Einleitung des Verfahrens
wird verfügt vom Minister oder von dem Vorsteher der vorgesetzten Ver-
waltungsbehörde (v. Rheinbaben, Diszipl.Ges. S. 222); „für das sogenannte
Legalitätsprinzip ist im Disziplinarverfahren kein Raum“ (vr. Rheinbabena.a.0.
S. 205). $ 38: „Bei der Entscheidung hat die Disziplinarbehörde... zu
beurteilen, inwieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten“. Damit wird
sie auf den Standpunkt des urteilenden Strafrichters verwiesen. — R.B.G. $$ 84
u. 108; Bayr. Beamtenges. v. 16. Aug. 1908 Art. 129 u. 148. — Seydel, Bayr.
StR. II S. 271 ., schildert das hier vorliegende Verfahren zutreffend so, daß die