348 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
6. Die Disziplinarstrafgewalt kann dem Schuldigen auch nicht
folgen über den Boden hinaus, auf dem sie erwächst:
— Daher erlischt die Zulässigkeit jeder Disziplinarstrafe mit
Endigung des Dienstverhältnisses: wenn der Scehuldige
aus diesem ausgeschieden ist, ist am Dienste nichts mehr zu bessern
durch ein Vorgehen gegen ihn; die Disziplinarstrafe hat ihren
Zweck verloren und damit auch ihre Berechtigung ®.
Dieser Grund wirkt nicht, soweit für ein im alten Dienst-
verhältnisse begründetes Disziplinareinschreiten trotz
seiner Endigung noch ein selbständiger Zweck übrigbleibt. Es
kann sich nur um einen Nebenzweck handeln: um Erstattung der
im Verfahren bisher schon erwachsenen Kosten oder um Entziehung
der dem Schuldigen sonst verbleibenden Ansprüche auf Titel, Rang
und Ruhegehalt°®. Der Grund wirkt auch nicht gegenüber den
vor Auflösung des Dienstverbältnisses bereits erkannten
Disziplinarstrafen. Diese können nur je nachdem gegenstands-
los oder unvollstreckbar geworden sein: gegenstandslos, soweit eben
die Endigung des Dienstverhältnisses sich mit ihrem Inhalt deckt
oder diesen noch überbietet (z. B. bei der Strafe bloß zeitweiliger
Amtsentziehung); unvollstreckbar, soweit es sich um Strafen handelt,
des Entwurfs fallen, besondere Disziplinarbestimmungen bestehen, und daher, wenn
diese Personen in ein unter die Disziplinarbestimmungen des Entwurfs fallendes
Dienstverhältnis eintreten, Zweifel darüber entstehen könnten, nach welchen Vor-
schriften ein von ihnen in ihrem früheren Dienstverhältnis unter der Herrschaft
anderer Disziplinarvorschriften begangenes Dienstvergehen zu behandeln wäre.“
Vgl. auch Bayr. Diszipl.Ges. f. richterl. Beamte Art. 87 Abs. 1.
v. Rheinbaben, Preuß. Diszipl.Gesetze S. 429 f., berichtet zustimmend die
Grundsätze des Gr. Diszipl.Sen. d. Kam.G., aufgestellt in dem Erkenntnis gegen
einen Richter wegen unwürdiger Handlungen, die er als Referendar begangen
hatte (Erk. 15. Mai 1895): Strafe und Verfahren richten sich nach den für Richter
geltenden Voraussetzungen, für die sachliche Würdigung „kommen das frühere
Disziplinargesetz und die Pflichten, die dieses dem späteren Richter auferlegte.
in Betracht.“ Das scheint mir aber doch ein recht künstliches Erzeugnis zu sein.
2 Daher der fehlende Beamte sich allen Weiterungen entziehen kann, auch
nach schon eingeleitetem Verfahren, durch Entlassungsgesuch unter Verzicht auf
alle Vorteile der Stellung; R.B.G. $ 100. Nach Preußischem Recht kann freilich
die Behörde die Genehmigung des Gesuches unter Umständen gerade deshalb
zurückbalten, um das Disziplinarverfahren durchzuführen; v. Rheinbaben,
Preuß. Diszipl.Gesetze S. 170 f. — Kanngießer, R.BeamtenR. $S. 163, will die
Unzulässigkeit nachträglicher Disziplinarverfolgung auf eine Art reinigender Kraft
des Aktes der Pensionierung zurückführen, der eine „endgültige Feststellung
pflichttreuer Dienstführung“ bedeute. Allein die Unzulässigkeit besteht doch auch
dann, wenn das Dienstverhältnis ohne solche Feststellung geendet hat.
@® R.B.G. $ 75 Ziff. 2.