30 Das öffentliche Sachenrecht.
Wohl aber ergibt sich aus dem Gesagten schon der Punkt, wo
auch eine rechtliche Unzulässigkeit der Enteignung ein-
setzen muß. Er liegt da, wo sie auf die öffentliche Verwaltung
selber stößt, wo ein Fiskus als Herr der zu enteignenden Sache in
gar nicht an. Seydel a.a. 0. S. 16 begnügt sich damit, daß sie „einem mit dem
Enteignungsrechte ausgestatteten Unternehmen angehören“. Eger a. 8.0. 8.15
fügt hinzu: „und für dieses enteignet worden sind“. Das wäre also eine Voraus-
setzung mehr. Allein die Enteignung, einmal durchgeführt, hat doch kein anderes,
vor allem kein widerstandsfähigeres Eigentum zur Folge als der freibändige Kauf.
Wenn der Botanische Garten, der Gefängnishof, die Schlachthausanlage, das Schul-
gebäude zum Teil durch Enteignung erworben ist, zum Teil auf schon vorhandenem
Besitze des Staates, der Gemeinde eingerichtet wurde, so stehen diese Teile der
drohenden Enteignung unmöglich in verschiedenem Rechte gegenüber. Aber auch
das ist gleichgültig, ob dem jetzt besitzenden Unternehmer damals überhaupt
„Enteignungsrecht verliehen worden ist“ oder nicht. Wäre es verliehen gewesen,
so ist das fertig und erledigt durch den Erwerb; wenn für dieses Unternehmen
nachträglich über den ursprünglichen Plan hinaus noch einmal enteignet werden
soll, so müßte die „Verleihung“ noch einmal stattfinden; von einer „Erweiterung
der Rechtsfähigkeit“, wie Gierke es nennt, die sich damals vollzogen hätte ein
für allemal, kann doch keine Rede sein. Worauf es allein ankommt, das ist
überall nur die Rücksicht auf das öffentliche Wohl, das an dem Bestande der ge-
troffenen Einrichtungen beteiligt ist, gleichviel wie das dafür nötige Grundeigentum
seinerzeit beschafft werden konnte. Der Wert einer Gefängnisanlage, eines Schul-
gebäudes für das öffentliche Wohl bleibt voll bestehen und berücksichtigungswert,
auch wenn es seinerzeit gar nicht notwendig gewesen war, sich der Zulassung zum
Ennteignungsverfahren zu versichern, sondern alles auch ohne das gemacht werden
konnte. Deshalb lassen sich auch die maßgebenden Stellen nicht hindern, tat-
sächlich in diesem Falle ganz die gleiche Rücksichtnahme walten zu lassen. Ohne
alle gesetzliche Nötigung, einem leeren juristischen Formalismus zuliebe hier eine
Unterscheidung machen zu wollen, wäre eine Verleugnung alles gesunden Wirk-
lichkeitssinnes.
Die gleichen Grundsätze werden auch gelten müssen, wenn die Enteignung
sich gegen liegenschaftlichen Besitz des Reiches richtet: Truppenübungsplätze,
Schießstände, Kasernen, Militärverwaltungsgebäude. Ob das Reich für diese Dinge
zur Enteignung hätte zugelassen werden können, zugelassen worden ist oder wirk-
lich enteignet hat, macht wieder keinen Unterschied; einen rechtlichen Vorzug
hat es deshalb gegenüber der landesrechtlichen Enteignung nicht. Eine Besonder-
heit dürfte hier nur bestehen für den Fall des Art. 41 Abs. 1 R.Verf., der für die
Herstellung wichtiger Eisenbahnen ein Reichsenteignungsrecht be-
gründet. Vgl. oben Note 22. Dadurch wird, außer dem eigentlichen Bahnkörper,
auch alles, was sonst dem Betriebe zu dienen hat an Gebäulichkeiten, Lagerplätzen
und Zugängen der landesrechtlichen Enteignungsgewalt entzogen sein, wenigstens
in dem Sinne, daß sie nicht gegen den Widerspruch des Reiches daran ausgeübt
werden kann: jene „Ausstattung mit dem Expropriationsrecht“ hat ja gerade den
Sinn, daß das Unternehmen auch gegen den Willen der Einzelstaatsgewalt sich
durchsetzen und behaupten soll, und dieser Wille des Reiches geht vor. Das ist
aber ein ganz eigenartiger Ausnahmefall.