Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 46. Verinögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse. 381 
Die neuere Gesetzgebung hat noch einen besonderen Fall der 
Ersatzpflicht des Beamten dem Staate gegenüber ausdrücklich ge- 
regelt. Er bildet eine Ausnahmeerscheinung, die in keiner Weise 
in ein juristisches Gesamtbild dieser Haftungen hineinpaßt, am 
ersten noch läßt er sich zurechtlegen mit der alten, längst nicht 
mehr haltbaren Annahme eines bürgerlichrechtlichen Vertrags, der 
neben der öffentlichen Dienstpflicht herliefe. Es handelt sich um 
die in E.G. z. B.G.B. Art. 77 vorgesehene Haftung des Staates, der 
Gemeinden und anderer Kommunalverbände für die Schäden, die 
von ihren Beamten in Ausübung der ihnen anvertrauten Öffent- 
lichen Gewalt Dritten zugefügt worden sind. Die Gesetze, welche 
in diesem Sinne ergangen sind, behalten dem Gemeinwesen, das 
den Beschädigten befriedigen mußte, seinen Rückgriff vor gegen 
den schuldigen Beamten°® Die dem Dienstherrn hier erwachsende 
Vermögensbeeinträchtigung ist keine solche, die durch die Schadens- 
ersatzpflichtt aus unerlaubten Handlungen nach B.G.B. $ 823ff. 
gedeckt würde. Reichsrecht und Landesrecht gingen jedoch über- 
wiegend davon aus, daß die Haftung des Staates selbst als eine 
zivilrechtliche Haftung des Geschäftsherrn zu behandeln sei nach 
Vorbild der Haftung des Fiskus gemäß B.G.B. $ 31 u. $ 89°”. Dem 
nach den Bestimmungen des B.G.B. über Schadensersatz für unerlaubte Hand- 
lungen sich regelt, ist privatrechtlicher Natur. Darüber braucht man sich keine 
Sorge zu machen. 
Einen eigentümlichen Ansatz zu innerer Fortbildung der dienstlichen Haftung 
des Reichsbeamten darf man vielleicht finden in R.G. 9. Nov. 1910 (Entsch. I.XXIV 
S. 342): Einschreibebrief verloren gegangen, Postfiskus entschädigt und verlangt 
Ersatz von dem Oberpostassistenten, der den Dienst gehabt hatte, im Defekten- 
verfahren (nach R.B.G. $ 136? — man kann bezweifeln, ob das formell richtig 
war); Klage des Beamten. Das Gericht bekennt sich zu dem Rechtsgrundsatz, 
„daß ein Beamter, der Geld oder andere Sachen nicht zurückgeben kann, die ihm 
amtlich zur Aufbewahrung oder Bewachung übergeben waren, den Verlust zu er- 
setzen hat, sofern er nicht beweist, daß der Verlust ohne sein Verschulden ein- 
getreten sei“. Es ruft wohl auch B.G.B. $ 232 an, aber nur wegen der „Ahnlich- 
keit seiner Stellung mit der eines Verwahrers im Sinne des B.G.B.“, und weil 
dieser Standpunkt „durch die Verhältnisse des öffentlichen Dienstes notwendig ge- 
boten wird“. Demnach wird das wohl eher als eine Ausdehnung der öffentlichen 
Haftpflicht nach den Grundsätzen der eigentlichen Defektenhaftung anzusehen sein: 
das „Nicht-zurückgeben-können“ ist der selbständige dienstrechtliche Schadensersatz- 
grund; das gäbe dem Institut eine einleuchtende Ausdehnung und Abgrenzung. 
65 Vgl. oben Bd. 1 S. 199 £. 
66 So auch R.Ges. v. 22. Mai 1910 $ 2: „Das Reich kann von dem Beamten 
Ersatz des Schadens verlangen, den es durch die im $ 1 Abs. 1 bestimmte Ver- 
antwortlichkeit erleidet“. 
*' Oben Bd.1S. 199; unten $ 53, II. Diese wenig durchdachte Haftung des
	        
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