$ 83. Die Enteignung; Voraussetzungen und Verfahren. 33
Wäre das schon vor der Einleitung der Enteignung geschehen,
so hat das Weitere nichts Besonderes. Die Einziehung kann sich
aber auch mit dem Enteignungsverfahren selbst erst verbinden.
Wenn man dann den Vorgang überblickt, bekommt man zwar
den Eindruck, als werde eine öffentliche Sache enteignet, die doch
in Wirklichkeit aufhört, eine zu sein, um enteignet werden zu können.
Die Einziehungserklärung entgebt schon deshalb leicht der Wahr-
nehmung, weil sie keineswegs als obrigkeitlicher Ausspruch, als
Verwaltungsakt zu erscheinen braucht; sie bedeutet, wie wir sehen
werden (unten $ 36, III), lediglich eine Verfügung des Herrn der
öffentlichen Sache über diese und eine Änderung der Zweck-
bestimmung, die er ihr gibt. Dieser Wille kann irgendwie, auch
nebenbei gelegentlich anderweiter Anordnungen zutage treten,
und das genügt. In dieser Richtung wird namentlich das Verfahren
zur Feststellung des Enteignungsfalles bedeutsam. Hier findet ja
schon eine genaue Prüfung des Unternehmens statt, für welches
die Enteignung verlangt wird. Wohldurchgearbeitete Pläne werden
vorgelegt, um diese Prüfung zu ermöglichen, aus denen dann auch
ersichtlich wird, welche Stücke von Straßen, Kanälen und anderen
öffentlichen Sachen dabei in Mitleidenschaft gezogen werden sollen.
Die Genehmigung dieser Pläne bedeutet das Einverständnis mit den
dabei in Aussicht genommenen Einziehungen.
Handelt es sich um eine Staatsstraße, so wirkt die Genehmigung
der hohen Stelle, von welcher diese Zulassungsentscheidung getroffen
wird, ganz von selbst als die erforderliche Verfügung des
Staates über diese seine Sache, um sie soweit ihrem bis-
herigen öffentlichen Zwecke zu entziehen.
Bestimmung angeführt, obgleich sie „wesentlich formaljuristischer Natur“ seien.
Ich behaupte allerdings, daß die besondere Rechtsordnung des öffentlichen Eigen-
tums auch ihren guten sachlichen Wert hat, sonst verlohnte es sich wohl kaum,
die formaljuristische Gestaltung sehr zu pflegen (vgl. unten $ 35, In. 2). Aber
im wesentlichen kann ich mich für meine Grundauffassung auf dieses neueste
deutsche Enteignungsgesetz berufen.
Statt auf Entziehung des Eigentums kann ja die Enteignung auch gerichtet
sein auf eine rechtliche Belastung für das öffentliche Unternehmen. Die Zustimmung
des Herrn der öffentlichen Sache wäre in diesem Fall keine Einziehung, sondern
die Ermöglichung einer besonderen Benutzung. So kann nach Schweiz. Bd.Ges. v.
4. Juni 1902 öffentliches Eigentum „auf dem Expropriationsweg“ für Starkstrom-
leitungen in Anspruch genommen werden — jedoch nur „unter Wahrung der
anderen Zwecke“, was zum Ausdruck gebracht wird in einer „besonderen polizei-
lichen Bewilligung“, die hier zu der Enteignung noch weiter erholt werden muß:
Schw. Bd.Ger. v. 20. Mai 1908 (Eisenb.Entsch. XXV S. 163).
Binding, Handbuch. VI. 2: Olto Mayer, Verwaltungsrecht. II. 2. Aufl. 3