390 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
In der ganzen Strenge erweist sich jene Unentbehrlichkeit vor
allem an den eigentlichen Notlasten: Einzelnot bei Unglücks-
fällen, wo die Hilfe als Angelegenheit öffentlicher Verwaltung be-
handelt wird, oder gemeineNot, bei der diese Voraussetzung stets
eintritt, können sofortige Leistungen durch Arbeit, Gerätschafts-
stellung, Materiallieferung nötig machen, und wer damit bei der
Hand ist, dem kann das zur Öffentlichrechtlichen Pflicht werden,
zur Lastpflicht.
In der gleichen Weise greift die Militärlast zu in Requi-
sition und Einquartierungslast: das, was das Heer bedarf,
ist ihm unmittelbar zu gewähren, zu Gebrauch und Verbrauch bereit,
je nachdem.
Endlich wird eine dritte Gruppe gebildet hauptsächlich von den
Justizlasten: Zeugenpflicht und Sachverständigen-
pflicht. Zu kommen und die Aussage zu machen, das Gutachten
abzugeben, das eine wie das andere zu beeidigen, das bedeutet eine
Leistung zugunsten des großen öffentlichen Unternehmens, Justiz
genannt, ohne welche diese nicht auskommen kann!!. An Stelle der
Dringlichkeit, welche bei den Notlasten wirkt, steht hier die
Unersetzbarkeit.
II. Im einzelnen entwickelt sich nun das Rechtsinstitut
wie folgt.
1. Als Eingriff in die Freiheit bedarf die gemeine Last nach den
Regeln des Verfassungsstaates einer gesetzlichen Grundlage.
Das Gesetz, wie sonst auch, liefert selbst die nötigen Rechtssätze
dafür oder ermächtigt eine Verordnung, ein Statut, sie aufzustellen.
In den allgemeinen Ermächtigungen der Polizeigewalt ist die
leisten lasse, aber dann immer unter der Voraussetzung, daß die forderungs-
berechtigte Verwaltung damit einverstanden sei. Die freie Verschiebbarkeit der
Last würde die Gefahr eines Zuges nach der mindest guten Leistung mit sich
bringen.
11 Auch andere Behörden als die Gerichte sind befugt, eidliche Zeugen-
aussage zu fordern. Ein Verzeichnis bei Laband, St.R. III S.485 ff. Über das
sog. „Auskunftsrecht“ der Polizei vgl. oben Bd. I S. 235 Note. Soweit es be-
gründet wäre, würde es eine Lastpflicht vorstellen, keine polizeiliche Pflicht. —
Eine Lastpflicht in diesem Sinne bedeutete Reichsges. v. 25. März 1907 $ 5,
Beantwortung der Berufszählungsfragen betreffend. Hierher wird auch zu rechnen
sein die Entnahme von Proben feilgehaltener Nahrungsmittel nach Reichsnahrungs-
mittelges. v. 14. Mai 1879 $2 Abs.2. Die Unvertretbarkeit der Leistung ist hier
die gleiche wie beim Zeugen.
Die schweren Kriegszeiten, in welchen wir stehen, haben neue Anwendungen
der Form der gemeinen Last gebracht: die vielerlei Anzeigepflichten wegen vor-
handener Vorräte und vor allem die vaterländische Hilfsdienstpflicht.