Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten. 407 
untergeordneten Gemeinwesen: für städtische und ländliche Straßen, 
für Brücken, Schulen, Kultusgebäude. Herkommen und Ver- 
trag liefern die Rechtsformen für die Begründung. 
Der Polizeistaat nimmt sich dieser Dinge an und scheidet 
sie von privatrechtlichen Verpflichtungen ähnlicher Art durch die 
obrigkeitliche Überwachung und Durchführung, die er ihnen zuteil 
werden läßt über den gerichtlichen Rechtsschutz hinaus, oder auch 
ihn ganz ersetzend durch das planmäßige Vorgehen seiner Polizei- 
behörden. 
Der Verfassungs- und Rechtsstaat stellt die Vorzugs- 
last als Eingriff in Freiheit und Eigentum unter seine Forderung 
einer gesetzlichen Grundlage. Für Neubegründung bietet er die 
stehenden Formen, in welchen er öffentliche Rechtsverhältnisse 
überhaupt zustande kommen läßt: Rechtssatz und Verwaltungsakt. 
Dabei übernimmt er aus der Vergangenheit, was er auch sonst 
übernimmt: 
— Einmal dafür entstandene Rechtssätze werden jetzt als Öffent- 
lichrechtliche angesehen und bleiben bestehen, auch wenn sie jetzt 
in dieser Form nicht mehr entstehen könnten: landesherrliche 
Ordnungen ohne Gesetzesform, Gewohnheitsrecht®. 
— Einmal begründete Rechtsverhältnisse dauern fort, bis sie in 
den Formen des neuen Rechts geändert oder beseitigt sind. In 
dieser Beziehung hätten natürlich rein persönliche Verbindlichkeiten 
nicht viel zu bedeuten, da sie von selbst aussterben; wichtig sind 
allein die am Besitze hängenden und mit ihm übergehenden. Die 
Reallasten spielen hier ihre Rolle*. 
8 Vgl. oben Bd. I S. 83f. u. 92. So O.V.G. 5. Okt. 1892 (Entsch. XXIII 
S. 379): Straßenreinigungspflicht der Hausbesitzer durch altes Gewohnheitsrecht 
(Observanz) begründet. Ähnlich O.V.G. 13. Febr. 1884 (Entsch. X S. 203) wegen 
einer Observanz, welche die Hausbesitzer zur Unterhaltung der Bürgersteige ver- 
pflichtete. Vgl. auch Gilbert in Sächs. Ztschft f. Pr. IX S. 241 über „Sonder- 
verbindlichkeiten beim Wegebau“. Auch das Französische Recht, trotz seiner 
strengen Ablehnung alles Gewohnheitsrechts, läßt für die Verpflichtung der Haus- 
besitzer, die Kosten der Trottoirherstellung und der Straßenpflasterung zu tragen, 
altes Herkommen maßgebend sein: Theorie d. Franz, V.R. S. 330. Die Natur der 
Vorzugslast wird dabei treffend bezeichnet von Jousselin, Servitudes d’utilite 
publique II p. 473: „C'est une charge d'une nature particuliere, qui & sa cause 
dans les avantages speciaux que les proprietes riveraines retirent du voisinage 
d’une rue“. 
* R.G. 26. Juni 1880 (Reger V 8. 113: Wegeunterhaltungspflicht eines 
Gutsbesitzers auf Grund alten Erbpachtvertrags). Die sogenannten Komplex- 
lasten des Bayrischen und Württembergischen Rechts haften an einem ganzen 
„Komplex“ von Grundstücken auf Grund alter Verträge oder Herkommens und
	        
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