40 Das öffentliche Sachenrecht.
I. Die Hauptwirkung der Enteignung wird darzustellen sein
an dem wichtigsten und einfachsten Fall, wo es sich darum handelt,
das Eigentum an dem Grundstück dem bisherigen Eigentümer
gänzlich zu entziehen zugunsten des Öffentlichen Unter-
nehmens und seines Herrn. Bloße Beschränkungen des Eigentums
oder Unterdrückungen von daran bestehenden dinglichen Rechten
regeln sich entsprechend.
1. Die Wirkung der Enteignung erscheint hier als Eigentümer-
wechsel, Untergang des Eigentums bei dem bisherigen Eigen-
tümer unter Neubegründung bei dem die Enteignung be-
treibenden Unternehmer.
Die ältere Lehre war noch unzugänglich dem Gedanken, daß
ein solcher Wechsel sich anders erklären könnte, als vermittelt
durch die gewohnten Formen des Zivilrechts. Die herrschende
Auffassung war demgemäß, daß die Enteignung nichts anderes sei
als ein Zwangsverkauf!.
! In diesem Lichte sieht die Enteignung namentlich auch A.L.R. I, 11 $4:
„Auch der Staat ist jemanden zum Verkaufe seiner Sachen zu zwingen nur als-
dann berechtigt, wenn es zum Wohl des gemeinen Wesens notwendig ist.“ Es
wäre wunderlich, wenn man damals, auf der Höhe des Polizeistaates, wo das
öffentliche Recht kein Recht und der Staat als solcher eigentumsunfähig war, die
Sache anders aufgefaßt hätte. Seitdem hat sich manches geändert in unseren
Anschauungen; insbesondere ist auch eine Verwaltungsrechtswissenschaft neben
der alleinherrschenden Zivilrechtswissenschaft entstanden. Wo man aber dieser
etwas fremd gegenübersteht, erweist sich immer noch in der Anhänglichkeit an
den alten Zwangskauf die Kraft des Beharrungsvermögens. So namentlich bei den
Kommentatoren des Preußischen Enteignungsgesetzes: Loebell S. 23, Dalcke
S. 129, Bähr u, Langerhans S. 110, Eger IS. 26ff. Auch die Justiz be-
half sich lange damit; Eger a.a. O0. S. 26, 31 u. 32 betont eine „ständige Recht-
sprechung“ des Reichsgerichts. Das von ihm mit angeführte Urteil v. 2. Dez. 1884
(Entsch. XII S. 405 £.) spricht allerdings für das Gegenteil, und R.G. 9. Juni 1905
"(Enntsch. LX S. 102 ff.) sagt sich in ausführlicher Begründung von dem veralteten
Zwangskauf los, um der hier ausgesprochenen Anschauung beizutreten. Eger
a. a.0. S. 32 beruft sich jetzt demgegenüber auf Layer, Prinz. d. Ent. S. 318,
welcher bemerkt, „daß dort, wo die Gesetze die Konstruktion angenommen und
auch die materiellrechtlichen Konsequenzen daraus gezogen haben, man sich nicht
darüber hinwegsetzen kann“. Dem kann auch ich zustimmen. Aber der Nach-
weis, daß das Preuß. Ent.Ges. v. 1874 aus der Zwangskauftheorie „die materiell-
rechtlichen Konsequenzen gezogen habe“, den Layer verlangt, hat E ger noch zu
erbringen. Layer meint von dieser nur, sie sei nicht „glatter Nonsens“ — was
ich ebenfalls zugebe, für ihre Zeit! — und schließt zutreffend: „Richtig ist, daß
die meisten neueren Gesetze auf einer anderen rechtlichen Auffassung beruhen,
und daß auch dort, wo die Gesetze ausdrücklich sich nicht hierüber aussprechen,
dem ganzen Geiste des Instituts eine andere Auffassung kongruenter ist.“ Man