Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

52393 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Das öffentliche Recht hat zur Grundlage die Ungleichheit 
der Rechtssubjekte, zwischen die es seine Ordnung stellt. Ihr 
entspricht auch eine andere Grundauffassung von dem, was der 
natürlichen Gerechtigkeit angemessen ist in ihren wirtschaft- 
lichen Beziehungen. Das kommt wieder in doppelter Richtung zur 
Geltung: 
— Es ist recht und billig, daß der Staat Einrichtungen trefie 
und Tätigkeiten übe, die seinen Untertanen zugute kommen, ihnen 
mit eigenem Aufwand Vorteile bereite, in ihrer Gesamtheit wie 
als Einzelnen. Dazu ist er da. Es bedarf nicht erst eines recht- 
fertigenden Grundes, damit das der wirtschaftlichen Natur des 
gegenseitigen Verhältnisses angemessen sei. Aber der Staat muß 
die Mittel, deren er bedarf, um solche Vorteile gewähren zu 
können, seinerseits wieder aufbringen dadurch, daß er seine Unter- 
tanen belastet mit Abgaben aller Art, die, wenn sie gerecht sein 
sollen, möglichst nach der Leistungsfähigkeit bemessen sind. 
Mag er das noch so schön eingerichtet haben, immerhin wird 
verhehlen, auf eine Gefühlssache hinaus. Das aequum, das Billige, oder wie man 
auch sagt, Gerechte, kann aber zu bestimmten Sätzen sich verdichten, die gelten 
wollen für ein gewisses Gebiet menschlicher Verhältnisse. Die eignen sich dann 
unmittelbar, zu einem Rechtssatz den Stoff zu liefern, und liefern ihn auch. Wie? 
Das ist natürlich zu untersuchen. Damit sind wir aus dem Gefüblsleben heraus 
und auf dem Boden der Rechtswissenschaft angelangt. Die Billigkeits- 
forderung wird Billigkeitsrecht. Um einen solchen „praktischen“ Billig- 
keitssatz handelt es sich hier. 
Die grundlegende Regel der 1.206 D. 50, 17: „hoc natura aequum est neminem 
cum alterius detrimento et injuria fieri locupletiorem“, ist von Haus aus ein 
Billigkeitssatz, kein Rechtssatz; es entspricht nur den besonderen Lebens- 
bedingungen des römischen Rechts, daß sie dort mit Leichtigkeit zu rechtlicher 
Geltung gebracht werden konnte. Damit wirkt in das reine Spiel der rechtlichen 
Willensmacht eine andere Rücksicht hinein. Man drückt den Gegensatz gern so 
aus, daß der Erwerb selbst, die „Rechtsänderung“, wohl rechtsbeständig sei, aber 
die darin liegende „Vermögensverschiebung“ nicht (v. Mayr, Bereicherungsanspr. 
S. 422), daß es sich um „formal“, „an sich“, „äußerlich“ Gültiges handle, das aber 
„materiell“, „innerlich“, „wirtschaftlich“ ungerechtfertigt ist (Zusammenstellung bei 
Jung, Bereicherungsansprüche S. 22 £f.). Gegen Jung, der diese Zwiespältigkeit 
der Gesichtspunkte verneint und alles auf rein Juristisches (Mangel der „obligato- 
rischen Unterlage“: a. a. O0. S. 25 Note, S. 139 ff.) zurückführen möchte, betont 
Stammler, in Festgabe f. Fitting S. 151 ff., wiederum jene Unterscheidung: 
„Die nach technisch geformtem Rechte eingetretene Rechtsveränderung läßt 
sich in ihrem sachlichen Bestande als richtiges Recht nicht behaupten“ 
(a. a. O. S. 161). Was wir Billigkeitsrecht nennen, ist aber gerade berufen, an 
seinem Teile solches richtige Recht herzustellen. 
Diese Ausführungen haben für uns natürlich nur den Zweck, unser nun zu 
behandelndes öffentlichrechtliches Institut von außen her zu beleuchten.
	        
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