Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

528 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Polizeistaat bildete diesen Rechtsanspruch gegen den Fiskus immer 
weiter aus und stellte ihn unter den Schutz der bürgerlichen Ge- 
richte!®, In seinem Sinn hat das A.L.R. Einl. $ 75 unsere 
Billigkeitsforderung in vullem Umfange zu klarem Gesetzesrechte 
erhoben und ihre Rechtsverwirklichung gesichert auch über den 
Untergang des Naturrechts hinaus!®, 
von Eigentum und Freiheit ein Beitrag oder Opfer fürs gemeine Beste be- 
gehrt werden könnte“ ($. 362). Hier erscheint also schon die Formel unserer 
Grundrechte: in diesen sind „Freiheit und Eigentum“ (im weitesten Sinne ge- 
meint; vgl. oben Bd. I S. 71 ff.) verfassungsmäßig geschützt durch den Vorbehalt 
des Gesetzes; bei Pütter, dem diese Bedeutung der Herrschaft des Gesetzes noch 
fernliegt, sind sie geschützt durch den Grundsatz der Entschädigung bei „un- 
verhältnismäßiger Ungleichheit“ der „Aufbürdung“ (vgl. auch oben Bd. IS. 55 
Note 29). Vom jus quaesitum im alten Sinne und Entschädigung wegen Unrecht- 
mäßigkeit eines Eingriffs darein ist keine Rede mehr. 
18 Vgl. oben Bd. I S. 54 Note 29. 
’ A.L.R. Einl. enthält unter der Rubrik: „Verhältnis des Staates gegen 
seine Bürger“ zwei zusammengehörige Bestimmungen. $ 74: „Einzelne Rechte 
und Vorteile der Mitglieder des Staates müssen den Rechten und Pflichten zur 
Beförderung des gemeinschaftlichen Wohles, wenn zwischen beiden ein wirklicher 
Widerspruch (Kollision) eintritt, nachstehen“. $ 75: „Dagegen ist der Staat den- 
jenigen, der seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen 
Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten.“ 
Anschütz, Ersatzanspr. S. 67 ff., gibt sehr verdienstliche Untersuchungen 
zur Entstehungsgeschichte des $ 75. Die „besonderen Rechte und Vorteile“ 
können natürlich nicht schlechthin alles begreifen, was dem Betroffenen irgendwie 
von Wert ist. Eine Begrenzung ist nötig. Wir werden unten III n. 2 darauf 
zurückkommen. Anschütz a. a. O. S. 104 will die notwendige Abgrenzung er- 
zielen, indem er aufstellt: „Die ‚besonderen Rechte‘ des $ 75 (die Hinzufügung 
‚und Vorteile‘ erklärt er für bedeutungslos) sind die jura quaesita der naturrecht- 
lichen Tradition“. Aber gerade für die Frage der Entschädigung hatte sich Ja 
die naturrechtliche Tradition von den jura quaesita in der ursprünglichen Be- 
deutung losgelöst, selbst wo man den Namen beibehielt (vgl. oben Note 17). 
Anschütz berichtet selbst (a. a. O. S. 68), wie der $ 75 nachträglich in den 
Entwurf des Gesetzbuchs kam. Der Reichsgraf v. Finkenstein hatte für die 
Lebusser Stände moniert: cs seien gewisse Regeln zu etablieren, „daß der Landes- 
herr seinen Untertanen ihre jura quaesita unterkeinerlei Vorwandnehmen 
könne“. Das waren die echten alten jura quaesital Nun ist allerdings, wie An- 
schütz berichtet, aus den Materialien nicht zu ersehen, daß man dieses monitum 
besonders berücksichtigt hätte. Bei der neuen Abfassung des Gesetzbuchs wurde 
aber dann eine den Fall der Enteignung allein betreffende Bestimmung weggelassen 
und dafür der nachmalige $ 75 eingefügt. Darin sieht Anschütz einen Sieg der 
„Herrn Stände“; das „Postulat der Unverletzlichkeit des erworbenen Rechts“ sei 
wenigstens insoweit verwirklicht, als „der Wert des aktuellen Rechtsbestandes 
nicht beeinträchtigt werden darf“. „Insoweit“ — aber in der Sache will der $ 75 
doch etwas anderes als Graf Finkenstein, und in der Form sagt er statt wohl-
	        
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