Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

530 Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 
Wo anderwärts eine solche feste Grundlage fehlte, half sich 
die Rechtshandhabuug später gern mit einer Berufung auf „all- 
gemeine Rechtsgrundsätze“, „unzweifelhafte Rechts- 
Untertan Fiskus) zu leisten sei“. Jederzeit dagegen, wenn der Landesherr er- 
forderlich gefunden hat, eine Maßregel der inneren Verwaltung un- 
mittelbar durch einen Akt der Gesetzgebung anzuordnen (wenn also der 
Eingriff durch das Gesetz selbst bewirkt wird), und wenn hierbei ein Bedürfnis 
vorhanden gewesen ist, dem Privatinteresse vorzusehen, ist die Verpflichtung zum 
Schadensersatze aus dem Staatsvermögen (geltend zu machen „im fiskalischen 
Zivilprozesse wider die betreffende Vollzugsbehörde“) besonders vorgesehen worden.“ 
Mangels einer solchen besonderen Bestimmung wird hier überhaupt nicht gehaftet. 
Auch dieser Ausschluß der Entschädigung gegenüber einer unmittelbaren An- 
ordnung des Gesetzes stimmt überein mit dem allgemeinen Wesen unseres 
Rechtsinstituts und bedeutet keineswegs eine besondere Einschränkung. Vgl. unten 
$ 54, I und Note 2. Auch der „Akt der Gesetzgebung“ gehört in dieser Hinsicht 
zu den „Akten des Souveräns“, wie die Kriegführung und die Verhandlungen mit 
fremden Staaten, zu der Gruppe der „unmittelbaren Majestätsrechte“, wie man 
sie wohl bezeichnet (Kraft, in Gruchot Beitr. LX S. 285). Das französische 
Recht faßte diese Dinge damals schon zusammen unter den Namen „actes de 
gouvernement“, „actes de souverainet6“ und verweigerte hier gleichfalls Ent- 
schädigung (Dufour, Droit adm. IV n. 563 ff, n. 570). Die Kabinettsordre hat 
offenbar mit ihm Fühlung gehabt. Dafür spricht auch der Gebrauch des Wortes 
„Verwaltung“ und „innere Verwaltung“, der gerade damals, nach französischem 
Vorbild, in Deutschland aufgekommen war (vgl. oben Bd. I S. 9): es bezeichnet 
ja eben, im Gegensatz zu jenen Souveränitätsakten, das staatliche Tätigkeitsgebiet, 
für welches das Rechtsinstitut der ausgleichenden Entschädigung gilt. 
Es ist also gar nicht nötig, irgend etwas Umwälzendes aus der „Be- 
lehrung“ zu machen. Sie entspricht dem geradlinigen Entwicklungsgang. Was sie 
zurückweist, sind Übertreibungen der Entschädigungsansprüche, wie sie ebenso 
auch in Frankreich vorgekommen sind. Dort hat sie der Staatsrat zurück- 
gewiesen. 
Am allerwenigsten sollte aus dem Gebrauch des Wortes „Privateigentum“ dem 
$ 75 ein Strick gedreht werden können. Anschütz a. a. O. S: 78 hebt den Satz, 
in welchem das Wort vorkommt, durch Sperrdruck hervor und behauptet: dadurch 
habe. die Belehrung den gefährlichen $ 75 gründlich abgeändert und die Ent- 
schädigungspflicht „auf den Fall der Aufopferung von Privateigentum beschränkt“ 
8. 81 u. 105), „die ‚Rechte und Vorteile‘ des $ 75 durch das unzweideutige ‚Privat 
eigentum‘ ersetzt“ (3.106). Aber das Wort diente ja damals gern zur Bezeichnung 
privatrechtlicher Beziehungen überhaupt: A.G.O. 8 1 (Loening, Ger. u. Vert.- 
Beh. S. 155), Ges. 11. Mai 1842 8 ı (Oppenhoff, Ress.Verh. 1. Aufl. 9. 348). 
Die Kab.Ord. gebraucht es ganz ruhig abwechselnd mit „Privatinteresse“. Sie 
hatte auch gar keinen Anlaß, zu genauerer Abgrenzung der Gegenstände des 
zugemuteten Opfers Vorkehr zu treffen: handelte es sich doch im Breslauer Fall, 
der die Belehrung notwendig gemacht hat, klärlich um nichts anderes als um 
zerstörtes Privateigentum im strengsten Sinne. „Mißverständnisse“ bestanden 
saiglich wegen der nach $ 75 die Entschädigungsfolge begründenden Art von 
taatstätigkeit. Darüber allein hat sie dann auch „belehrt“.
	        
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