$ 53. Ausgleichende Entschädigung. 5933
Gern sucht man nach Herleitungen aus dem bestehen-
den Staatsrecht, wobei in Auslegungskunst ziemlich viel ge-
leistet wird ®®,
Daß daneben auch das Bürgerliche Recht und seine
Formen herangezogen wurden, um die von der Billigkeit geforderte
und gern gewährte Entschädigung rechtlich zu begründen, lag be-
sonders nahe. Handelt es sich doch um einen vermögensrechtlichen
Anspruch, der nach alter Auffassung eigentlich zivilrechtlich zu
behandeln war; die Möglichkeit von öffentlichrechtlichen Ent-
schädigungsansprüchen, die es auch geben könnte, pflegte man sich
nicht vorzustellen. Wenn die zivilrechtlich konstruierte Ent-
schädigungspflicht sachlich dem nicht recht entsprach, was dabei
herauskommen sollte, so wußte man das Ergebnis durch die An-
nahme zivilrechtlicher Besonderheiten zurechtzurücken.
So konstruierte man sich von jeher zivilrechtliche Verträge
oder vertragsartige Verpflichtungen, um die Entschädi-
gung berauszubringen, auch wo es sich um rein öffentlichrechtliches
Gebiet handelte?. Vor allem aber die zivilrechtliche Haftung
„die Bildung eines deutschen Gewohnheitsrechts ist mit Sicherheit nachgewiesen
nur für den Fall der Expropriationsentschädigung“ (Ersatzanspr. 8. 54), so
wird man ihm das lassen müssen. Uns mag es genügen, daß der viel weiter-
gehende Satz des Reichsgerichts geltendes Recht ist, so oder so — entweder als
Gewohnheitsrecht oder, was wir vorziehen würden, als „Rechtsgrundsatz“, den die
Justiz in Geltung hält — solange es ihr richtig zu sein scheint! In dieser keines-
wegs unvorteilhaften Befristung liegt ja der einzige Wertunterschied gegenüber
einem Gewohnheitsrecht, dem sich der Richter nicht wieder entziehen kann, bis
er sich ein neues, derogierendes Gewohnheitsrecht geschaffen hat.
22 So findet z. B. der Französische Staatsrat den erforderlichen allgemeinen
Rechtssatz in der Erklärung der Menschenrechte Art. 13, wonach die Staatslasten
gleich verteilt werden sollen: Theorie des Franz. Verw.R. S. 348. Nach Bl.
f. adm. Pr. 1870 S. 345 würde der Entschädigungsanspruch, außer durch die
Analogie des Enteignungsgesetzes, gerechtfertigt sein „auch durch die Verfassungs-
bestimmung, wonach der Fiskus vor den Gerichten Recht nimmt“. Mittermaier,
in Arch. f. ziv. Pr. IV S, 330, meint einfach, die Justiz dürfe „voraussetzen“,
daß der Regent in solchen Fällen Entschädigung gewähren wolle.
33 Hierher gehört die Annahme einer vertragsmäßigen Haftung der öffentlich-
rechtlich betriebenen Anstalt (vgl. oben $ 52 Note 35) Wo man die Enteignung
als Zwangskauf auffaßt, hat man die zivilrechtliche Begründung des Anspruchs
auf die Entschädigung, die ein Kaufpreis ist, von vornherein in der Hand. Früher
zog man wohl auch noch andere zivilrechtliche Institute hier heran. Weber,
in Lotz Nachrichten S. 504 beruft sich auf 1. 52, 4 D. pro socio. Lauterbach,
comp. jur. XIV, 2, Bocer, de regal. cap. III n. 249 #., Kreittmayr, Cod. Max.
IV cap. 13 $ 4 n. 2, wollen die ]. 21 D. de lege Rhodia de jactu auch der Ent-
schädigung für Enteignung zugrunde legen.